von David Wonschewski
Vorabfazit: 5 von 5 Sternen
Ich entsinne mich noch wie mir meine Mutter, ich war noch ein Teenager, Anfang der Neunziger, zum Namen Bukowski sagte: Muss man nicht lesen. Da geht es nur ums Saufen. Und Kopulieren. Widerlich.
Tja, das hold-schützende Mutterurteil wirkte, der Spross wurde zwar literarisch beflissen, schrieb gar selbst Romane, hatte jedoch bis zum Alter von 40 Jahren keine Lust, auch nur eines seiner Patschehändchen an nur eines der Bukowski-Ergüsserchen zu setzen. Wozu auch? Wie das mit dem Sex und dem Saufen und dem Abkacken in Gesellschaft unter freundlich-weiblichem Applaus so ist, weiß ich selbst, brauche ich keinen ach so kultigen Bukowski für.
Warum ich mich nun dennoch genötigt sah, einen kräftigen Schluck aus der Bukowski-Flasche zu nehmen ( “Mann mit Ledertasche”) und einen zweiten glich hinterher (“Faktotum”), schwierig zu sagen. Vielleicht weil ich nach einer dieser verworrenen, hilflos romantisch durchzechte Nächte in den Spiegel sah und mir dachte: So, genau so muss Bukowski ausgesehen haben. An jenen Tagen. Nach jenen Nächten.
Also ganz bukoskiw-like Scheissdrauf und KackdieWandan gedacht, mir den “Mann mit Ledertasche” besorgt.
Tja, wie Recht im Unrecht Mütter doch haben können. Oder wahlweise auch: Unrecht im Recht. Denn es stimmt schon, auf nahezu jeder Seite wird hier ordentlich einer gekippt oder aber…nun…ornithologisiert. Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob man auch als Frau erkennt, dass es hier eine Botschaft hinter der Botschaft gibt. Ich habe mir Videclips von Bukowski aus den frühen 80ern angesehen, da waren sogar viele Frauen. Aber das war damals, als Frauen noch das charakterliche Rüstzeug besaßen sich offen zu Arschlöchern zu bekennen. Heute werden sie nur noch angezogen davon, wie eh und je, nur dazu stehen ist nicht mehr. Überhaupt ist alles scheiße geworden!!! (oh, bukowskisiere ich bereits…?)
Nein, “Mann mit Ledertasche” ist alles andere als ein auf billige Effekthascherei angewiesenen frühes Pop-Literatürchen. Das legt schon die Berufsbeschreibung nahe, ist Protagonist Henry Chinaski doch Briefträger. Oder besser: Aushilfsbriefträger. Ja, man denkt es sich so einfach, Tasche umgeschnallt, losgelatscht, Brief hier reinwerfen, Einschreiben dort abgeben. Doch weit gefehlt. Bukowski gelingt das Kunststück, diesen per se simplen Job durch seine Beschreibung in seinen Komplikationen derart köstlich darzustellen, dass diese Betätigung fast zum Sinnbild allen menschlichen Suchens und Strebens – und somit letztens auch Scheiterns wird. Warum Chinaski zum Trinker wurde, das klärt Bukowski nicht recht auf, ist vielleicht auch gar nicht nötig. Warum er aber partout nicht ablassen will vom Fusel, warum er (wenn ich mich recht entsinne) im ganzen Buch nicht ein einziges Male Bedauern über seine diversen, immer immensen Kater äußert, nie frustriert ist ob überwiegend beständiger Ebbe im Portemonnaie – es wird überdeutlich.
Tolle Gossenphilosophie. Viele alte weiße Männer flüchten sich aktuell in die Arme der AfD, weil sie nicht wiseen wohin sonst noch. Ging mir auch schon so. Mit dem Unterschied: Ich mach mein Kreuz bei Bukowski.
Nachtrag des Rezensenten: Sollte sich jemand darüber beklagen, dass in dieser kleinen Rezension eine eindeutige Distanzierung vom Alkohol fahrlässig unterschlagen wurde – kann mir gerne eine schriftliche Verwarnung übermitteln. Chinaski bekommt sie in diesem Roman zuhauf, gerne nehme auch ich einige davon in Empfang.
Ein Musikjournalist tobt sich aus – „Schwarzer Frost“, der bitterböse Debütroman von David Wonschewski. Mehr Informationen zu diesem Buch entnehmen Sie bitte den Seiten dieses schattigen Blogs. Oder aber tummeln sich direkt HIER.
Hey, die Bukoski-Protagonisten erinnern sich tags drauf auch oft an nichts meher, also keine Sorge, ist total menschlich;-)) Liebe Grüße!
ich habe so ziemlich alles von Bukowski gelesen, wie auch von Kinski. Und diverse andere Autoren von dem Schlag, ich mag sie alle. Aber bin froh, keinem von ihnen über den Weg gelaufen zu sein. In Leipzig kam mal einer seiner Filme in einem B-Kino und ich fand den sehr gut. Aber um ehrlich zu sein, ich erinnere mich an so gut, wie gar nichts mehr.. spricht nun schon wieder dafür, dass es irgendwie wohl doch Allerweltsliteratur war / ist.
Tolle Rezi. Und Onkel Buk (oder von mir aus Chinaski ) ist KULT! Schon deshalb, weil er den interpretatorischen Grundansatz : Setzen Sie niemals den Autor mit dem Protagonisten gleich ad absurdum führt. Schon allein dafür – Danke!
Und Kult ist er irgendwie auch nur in Deutschland. Dem Land der Oberstudienräte und Beamten, die es schaffen “die da unten” im eigenen Ländle nicht wahrzunehmen und sich lieber in alt-romantischer Tradition irgendwas schönes unter Armut vorstellen wollen – und vom (theoretischen Ausbruch/Ausstieg faseln) – da scheint sein Sex&Suff-Ding doch vielversprechend. Wenn de dir dann allerdings auch überlegst, welche Sorte Frau “so einer” kriegt, puuuuuh, dann hat sich’s auch schon wieder mit dem Traum vom Totalverzicht auf Einkommen und Wohlstand.
“Faktotum” fand ich nicht so dolle.
“Das Schlimmste kommt noch oder fast eine Jugend” – seine Autobiografie (Von der Geburt bis zum Berühmt werden) kann ich empfehlen.
Hab mich in “the Chinaski-Years” bei mir im Blog auch schon über ihn ausgelassen.
Da würde mich mal deine jüngere Meinung zu interessieren.
Dick empfohlen sei hiermit noch der Film “Barfly” mit Faye Dunnaway und Mickey Rourke: Drehbuch Charles B.! Oder das Buch zum Film, was aber gar kein Buch zum Film ist, sondern ein “behind the scenes” Enthüllungsdingens: “Hollywood” von C.B.
Bukowski liest sich, als würde man rotzbesoffen in einen preisgekrönten Rosenbusch kotzen, irgendwie ist es nicht zu ertragen und gleichzeitig ist es auch bizarr schön.