von David Wonschewski
Je penibler ich meiner demokratischen Pflichtschuldigkeit nachkomme und mir auch Meinungen von “Anderen” gebe, also von Rechts- und Linksaußen, von Feministen und Incels, spanischen Fussballweltmeisterinnen und deren Verbandspräsidenten, BVB Ultras und Dietmar Hopp – seit ich das tue, wo und wann ich es kann, lerne ich. Macht man das eine gewisse Zeit, so wird der Unterschied zwischen den Rechten und den Linken im Übrigen schnell deutlich. Die Linken bilden sich was auf ihr Gehirn ein und argumentieren immer akademisch, theoretisch. Ergo immer am lebenden Menschen vorbei. Die Rechten sparen sich das, der Rechte hat das Plumpe zur Chefsache gemacht. Ob der Rechte so doof argumentiert, weil der Linke früher war mit schlauscheißen oder andersherum, Huhn und Ei. Das macht ihn, den rechten, kein Stück zum Dummen, er hat nur kapiert, dass er auf der Straße gewinnt, in Hörsälen verliert. Und der Linke vice versa. Deswegen kann man den Rechten auch einfacher widerlegen, es führt nur zu nichts. Wer die Straße hat, kann auf Tortendiagramme gut verzichten. Die Linken sind argumentativ schwieriger zu stellen. Das rappelt regelrecht im Statistikgebälk. Trägt daher schnell autistische Züge, Elfenbeinturm, Wolkenkuckucksheim.
Es ist arm, wie diese Linken und Rechten agieren. Man muss aber anerkennen: Sie haben Gründe, es zu tun.
Es gibt noch einen Unterschied, den habe ich mir von Julian Nida-Rümelin gemoppst und finde ihn sehr überzeugend, schlauer Mann. Jede Radikalität, die die Linken starten, können die Rechten genauso. Die haben nur, qua Grundattitüde und kommunikativer Grundausrichtung weniger Probleme es doppelt so intensiv umzusetzen. Wer seit jeher mit Gerechtigkeit und Toleranz kokettiert, hat schnell ein Legitimationsproblem. Hat der, der das nie so tat, nicht. Deswegen widersprechen sich Linke ja so oft ( was charakterlich im Übrigen für sie spricht). Und deswegen muss jene Lina E., die in Selbstjustiz Menschen fast tot prügelte, auch hart bestraft werden. Denn wird sie das nicht – siehe oben.
Und sonst? Ich habe mich selbst gefragt, wer mir sympathischer ist. Das sollte keine politische Größe sein, ist es aber. Ich selbst bin ja eher so der brainy Wessi. Allerdings habe ich die Eitelkeit und Borniertheit meiner eigenen Spezies schon vor 20 Jahren erkannt. Ich hasse es selbst Linke und Grüne als Elite zu betiteln. Weil ich weiß, dass deren Hauptantrieb eben darüber funktioniert, sich weiter als “unten” zu sehen. Kann man schizo finden, geht aber mit Empathie. In Sachen Wirtschaft und in Sachen Naturschutz geht nix voran, also redet man wohl gegen eine Wand, die dann wohl der Mainstream ist. Hört man ökologisch bewegten Menschen zu – jenen ab einem gewissen Alter – wird es schon stimmig. Informiert man sich liinks bis reeechts, werden einem dann Parallelen klar. In einem Podcast sagte ein Grüner mal, er wisse, dass er statistisch zu der Elite gehöre, aber das bringe ja nichts ein, das sei schale Statistik, denn für ihn und sein Anliegen geht nichts. Er kann sich sein Elitendasein ergo in die Haare schmieren, was für eine Elite soll das sein, die nicht voran kommt? Ja ja, neulich bei Frau Paus.
Und ich fragte mich, der ich ihn da dann gut verstand, ob der wohl weiß, dass es den meisten Männern mit dem Patriarchat und dem Feminismus genauso geht? Was für Privilegien sollen das sein, die mir nichts bringen, mich als Arsch titulieren? Was für ein kaputtes Patriarchat soll das sein, dass Kerle wie Dreck behandelt?
Ich glaube mittlerweile, wir sind gar nicht so geteilt. Es ist eher wie bei Schanze/Lechtermann, 1,2 oder 3, damals. Das Wasser steht vielen zum Hals, sie springen herum. Letzte Chaaaance….VORBEI! Wirklich, hört man sich “den Feind” an, dann merkt man schnell das, was beim bekannten Podcast der Herren Augstein (angeblich links) und Blome (angeblich konservativ) auch zu vernehmen ist. Links und rechts verschwimmen. Der Linke redet wie ein Rechter, der Rechte wie ein Linker.
Je länger ich das höre und lese, desto mehr glaube ich, dass Politik im Stadium der Frust wie die Wahl des Bundesligavereins läuft, an den man sich kettet. Umgebung, Anbindung, Lokalkolorit. Das unique Gefühl, gemeinsam eins auf die Fresse bekommen zu haben. Gemeinsam im Schützengraben gestanden zu haben.
Lesen Sie auch: Ein zorniger Mann schafft sich ab. Leseprobe aus “Blaues Blut” von David Wonschewski – HIER.