von David Wonschewski
Das ist schon reichlich bizarr. Dass die Zahl der Klimawandelleugner medial so groß gemacht wird, sich aber gar nicht so easy welche finden lassen, so man danach sucht. Im Übrigen nicht einmal bei der AfD. Was ein Hinweis darauf ist, dass weitaus mehr Leute von anderen bezichtigt werden, Klimawandelleugner zu sein als es denn von sich selbst so sagen würden. Letztlich das gleiche wie die hierzulande so gerne genutzte Nazikeule.
Und es ist schon frappierend, denn schaut man sich an, was solche dieserart in die Kritik geratenen Mitbürger eigentlich wirklich sagen, dann findet man selten eine Komplettleugnung des Klimawandels. Sondern eher eine Kritik an der Art wie Politik, Medien und sonstige Entscheidungsträger über dieses Thema mit uns reden. Was sie vorschlagen, wie sie es vorschlagen und warum sie es vorschlagen. Und um ehrlich zu sein, ergeht es mir da genauso. Und natürlich liegt das nicht nur an den Grünen, aber eben doch zuvorderst. Denn mit denen ist es paradox: Die machen sich traditionell stark für Naturschutz und Gleichstellung, werden aber gerade von Wählern auf dem Land und besonders im strukturell und moralisch noch immer von oben herab beäugten Osten “ignoriert” (um es mal nett auszudrücken). Werden hingegen gewählt von Leuten, die Natur und das Gefühl irgendwie abgehängt worden zu sein nur aus dem Fernsehen kennen. Und so kommunizieren sie denn auch, die Grünen – selten zu den Gemeinten und wirklich Betroffenen, stattdessen zu den weniger direkt oder gar nicht Betroffenen. Da ist es nur logisch, dass es in einer Form von Wolkenkuckucksheimsprache mündet. Einem Großstädter Klimaschutz beibiegen ist vergleichsweise einfach, dafür genügen Schlagworte, schöne Bilder, warnende Bilder. Da ist die Landbevölkerung ein anderes Kaliber. Sich dem Westen als Gleichstellungspartei verkaufen, das ist ähnlich simpel. Dem Osten muss man dafür ein wenig mehr bieten, was die Grünen halt nicht machen. Dass Ostdeutsche Naturschutz und Gleichstellung nicht mögen oder wollen, ist natürlich Unsinn. Es müsste halt nur mal eine Partei geben, die das sinnhaft in Angriff nimmt für sie.
Neulich sagte die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, dass 99% aller Studien belegen, dass der Klimawandel menschengemacht ist und sie sagte auch, dass es nie so warm war wie heute. Nun sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, schon klar. Man kommt aber eben auch nicht daran vorbei. Denn wenn es Frau Lang darum geht, die Bürger zum eiligen Absegnen ihrer grünpolitischen Ideen anzutreiben und sie sich dazu wieder und wieder darauf beruft, dass man sich doch bitteschön und endlich auf wissenschaftliche Fakten stützen sollte, dann gerät diese Art zu argumentieren doch reichlich windschief. Um nicht zu sagen opportunistisch, selbstvergessen. Denn an sich findet es gewiss jeder gut, Politik an den Erkenntnissen der Wissenschaft auszurichten. Nur dass Frau Lang und ihre Partei eben dafür berühmt sind, genau das ja selbst arg ungern zu tun. Oder eben nur dann, wenn es ins eigene Parteiprogramm passt. Dass die Gendersprache, zum Beispiel, von einem Großteil der Menschen und vor allem auch Frauen abgelehnt wird und Sprachen, in denen es das generische Maskulinum nicht gibt, mitunter patriarchaler unterwegs sind als Kulturkreise mit generischem Maskulinum, das ist ein wissenschaftlicher Fakt, der den Grünen herzlich egal ist. Das ist okay, jeder darf Visionen haben und dafür kämpfen, auch wenn es aussichtslos erscheint. Man darf dann aber eben nicht andernorts so tun, als wäre man der wissenschaftlichen Erkenntnis erster Stellvertreter. Denn wer einmal an der Wissenschaft vorbei argumentiert, dem glaubt man nicht – auch wenn er mal die Wahrheit spricht.
Wobei genau das das der zweite dicke Kommunikationskaspar ist. Es war nie so warm? Und 99% aller Studien? Es geht gewiss nicht nur mir so, dass ich zusammenzucke, wenn man mich mit derart absoluten Begriffen zu überzeugen versucht. Wo doch jeder weiß, dass absolute Begriffe immer nur dann genutzt werden, wenn man eigentlich keine ausreichenden Argumente hat. Frau Lang meinte wahrscheinlich, dass es seit Beginn der Wetteraufzeichnung nie so warm war. Und man würde ihr da auch nicht widersprechen, denn es stimmt. Sie sagt es nur leider nicht, sie setzt keck den absoluten Zeitrahmen: nie. Also seit Urknall. Und schon ist es leider eine Falschaussage. Der Klimawandel ist von Menschen beeinflusst, neuerdings, ja, aber er ist auch älter als die Menschheit, es gab schon Klimawandel, da gab es noch nicht einmal Dinosaurier. Und es war schon oft so warm wie heute, sogar wärmer, ja ja. Das entbindet den Menschen natürlich nicht von der Einsicht, in den letzten 100 Jahren dennoch reichlich Murks fabriziert zu haben, der dringend zu stoppen ist, das ist hier nur leider nicht der Punkt. Die meisten Menschen merken intuitiv, wenn sie verschaukelt werden, wenn man ungelenk versucht sie zu manipulieren. Manipulation ist eine hohe Kunst, was man immer dann merkt, wenn jemand es versucht, der dafür wenig begabt ist. Dann wird es halt unfreiwillig komisch.
Und mit Verlaub: schon historisch bedingt sind es gerade unsere Mitbürger im Osten des Landes, die bei dem Wert 99% in höhnisches Gelächter verfallen. Hätte sie, Frau Lang, doch wenigstens 93,4% gesagt oder 89,2%. Das haben ja sogar diese Diktatorenknilche drauf, wenn sie ihre ach wie demokratisch zustande gekommenen Zustimmungswerte in die Welt hinaus tickern. Wer sich im Übrigen auf die Suche nach einer Studie macht, die gewissermaßen alle Studien studiert und analysiert hat, die je zum Thema Klimawandel angefertigt wurden, der wird nicht fündig. Eine solche Studie gibt es nicht, Frau Lang flunkert also nicht nur bei der Zahl, sie greift komplett in die Trickkiste des offensichtlich Absurden. Welche 99% das also sein sollen und wovon überhaupt, tja.
Schaut man sich die Kommunikation in Sachen Klimaschutz an, reihen sich da mittlerweile zu viele Sprachböcke aneinander. Die Sache mit dem steigenden Meeresspiegel ist auch so ein Ding. Es gibt nicht den einen Meeresspiegel, es gibt viele verschiedene Meeresspiegel. Und je nachdem wo man misst, steigen die seit jeher mal an, dann wieder sinken sie. Nein, auch das ist keine Leugnung unseres Klimaproblems. Es ist vielmehr ein verzweifelter Schrei nach fachbezogenen Lösungen. Die Malediven beispielsweise haben ein fettes menschengemachtes Problem, noch dazu eines, dass andere Nationen ihnen eingebrockt haben. Leugnen auch, ehm, 99% (!) aller Deutschen nicht. Da darf die Empörung gerne im moralischen Brustton der Überzeugung herkommen. Die Fidschi-Inseln und Papua-Neuguinea aber, ein Gegenbeispiel, liegen beide im Südpazifik. Bei ersteren steigt der Meeresspiegel seit 100 Jahren, bei zweiteren sinkt er genauso lange schon. Ja nanu, wie geht denn das, wenn die Polkappen schmelzen, warum schwappt es nur zu den einen, aber nicht zu den anderen? Ganz einfach: Weil es nichts mit Polkappen und Erwärmung zu tun hat. Sondern mit Tektonik, sich verschiebenden Platten unter den Inseln. Nicht der Meeresspiegel steigt, es ist die Insel, die sinkt.
Nein, auch ich leugne nicht, dass etwas geschehen muss, dass die Menschen neue Konzepte brauchen bezüglich Konsum, Produktion, vielleicht sogar Kapitalismus und Verteilung. Wie die meisten Klimaleugner, die gar keine solchen sind, baue ich aber auf Politiker und Wissenschaftler, die beidäugig hinschauen. Schon weil ich keine Lust habe der Menschengeneration anzugehören, die die eine Schieflage einfach nur durch eine neue Schieflage ersetzte, dadurch nichts aufgehalten und vieles noch viel schlimmer gemacht haben.
Warum die Grünen, denen ich das Wissen um all das durchaus zutraue, dennoch kommunizieren als wären ihre Mitbürger blind und blöd auf die Welt gekommen, ich weiß es nicht. Von Greta Thunberg ist bekannt, dass sie einen sehr validen und ärztlich bescheinigten Grund hat, warum ihr die fein nuancierte kommunikative Auseinandersetzung von Mensch zu Mensch schwerfällt. Ob alle Grünen und Klimaschützer einen solchen Wisch vom Doktor haben, der erklärt, warum sie sich so sehr auf Klima, Pflanzen und Tiere verstehen, aber so wenig auf Mensch, tja, das wäre mal zu klären. Dabei wäre es doch so einfach, sie müssten lediglich das machen, was jedes Soziale Netzwerk als Beziehungsstatus anbietet. Einfach mal sagen, zugeben: es ist kompliziert. Nichts ist klar. Unsere Theorien sind steil, ja, aber immerhin sind es Theorien, Wege, Ideen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich bin mir sicher, ehm: nicht nur zähe 15%, nein, 30-40% Prozent aller Mitbürger könnten sich direkt für sie, nochmal ehm: erwärmen. Klimaneutral, na logo.
Lesen Sie auch: Ein zorniger Mann schafft sich ab. Leseprobe aus “Blaues Blut” von David Wonschewski – HIER.
Weitere “Bipolare Bekenntnisse” gibt es: HIER.