von David Wonschewski
Um mich mal selbst zu loben: Mich muss man ja seit geraumer Zeit schon nicht mehr moralisch oder verhirnt-akademisch zum Frauenfußball tragen. Ich fand die letzten drei Großturniere der Damen toll, sehenswert und unterhaltsam, beim Kerlefußball ist zudem in vielerlei Hinsicht arg die Luft raus – fertig. Reicht als Begründung, ist womöglich sogar die anständigste aller möglichen Begründungen. Wird einem was geboten, schaut man hin, wenn nicht: nicht. Schaut man nur hin, weil das letzte gesamtgesellschaftliche Genderpaygap-Kuchendiagramm mal wieder unschön ausfiel und man einfach einmal “ein Zeichen setzen” will, nun, das ist doch schon der Anfang von Scheiße. Wer deswegen hinschaut, ist genauso schnell wieder weg wie er hingefunden hat. “Zeichen setzen” ist halt wie Jonglieren, um so mehr Bälle man Bella Figura zirkulieren lässt, desto weniger kann man sich um jeden einzelnen davon kümmern, schwirren die meisten davon karteileichenmäßig in der Luft.
Nun ist wieder Frauenfußball-WM, diesmal in Neuseeland und Australien. Juhu. Und ich hatte mir eigentlich vorgenommen mir das ein oder andere Spiel anzuschauen, obschon die Spiel- und Sendezeiten so suboptimal sind. Ich bin mir nur nicht sicher, ob der Öffentlich-rechtliche Sendefernsehfunk das hinkriegt. Technisch schon, aber inhaltlich? Ich habe dort in den letzten Tagen einige Beiträge und Interviews zu dieser WM gesehen. Die waren toll, ich habe viel gelernt. Über die Suffragetten zum Beispiel. Oder die Agenda unserer Familienministerin. Und die strukturelle Fiesheit der Männer. Überhaupt geht es überraschend oft um Männer in so Frauenfußball-Beiträgen der Öffentlich-Rechtlichen. Auch in den Interviews. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, wenn so eine Sportmoderatorin eine ehemalige Nationalspielerin befragt, dass auch die beiden sich für Männer und deren Fußball deutlich mehr interessieren als für das Gekicke der Frauen.
Das hat ja alles seine Berechtigung, es ist nur so, dass ich da vom ganz alten Schlag bin. Wenn ich Fußball schaue, dann möchte ich ganz gerne was über Fußball erfahren. Und nicht über den langen Weg des Frauenwahlrechts. Ich bin auch der Meinung, wenn Mädchen sich für diesen Sport zu interessieren beginnen, dann weil auch sie der Faszination erliegen, dieses kugelrunde Leder kontrollieren zu wollen. Und stolz sind, wenn das zunehmend besser klappt. Aber wie gesagt, ich bin vom alten Eisen. Vielleicht finden junge Mädchen zum Fußball, weil sie Simone de Beauvoir gelesen haben.
Das Blöde an diesen Öffentlich-rechtlichen Reportagen und Beiträgen ist zudem, dass in jedem dritten Satz gesagt wird, dass die Gesellschaft sich noch ändern und die sportliche Leistung der Fußballerinnen würdigen und anerkennen muss. Was definitiv stimmt. Wie man aber peinlicherweise gerade an solchen Beiträgen schnell sieht, in denen es um alles geht. Nur eben nicht Fußball. Mediale Self-fulfilling prophecy. Es gibt viel zu tun – packen auch wir es einfach mal nicht an!
Wir lernen: Nichts kann so kontraproduktiv sein wie der gute Wille. Ich bin mir sicher, dass RTL sich bei so einer Übertragung besser machen würde. Die plumpen Quotenjunkies, die. Haben das mediale Spiel mit den Emotionen besser drauf.
Nein, ich werde wohl doch nicht hinschauen bei dieser WM. Oder wenn doch, dann nicht die Vor- und Nachberichte, schon gar nicht den Pausentalk. Nur das Spiel – und Ton ausgeschaltet, “mute”. Bevor sich wer aufregt: Mache ich bei den Männern schon seit 20 Jahren so. Gleichstellung kommt ab und an im Gewand eines Stummfilms daher. Schade, dass sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt hat. Im Land der pausbäckig-hemdsärmeligen Symbolpolitik.
Ein Kulturjournalist tobt sich aus – „Schwarzer Frost“, “Zerteiltes Leid”, “Blaues Blut”, die bitterbösen Romane von David Wonschewski. Mehr Informationen zu diesen Büchern entnehmen Sie bitte den Seiten dieses schattigen Blogs. Oder aber tummeln sich direkt: HIER