Da sagte die Tage so ein dahergelaufener Literatenbastard doch tatsächlich, Männer, die auf Bret Easton Ellis schwören, seien ihm sehr suspekt. Denn entweder haben solche ein maskulin-heteronormatives Gewaltproblem. Oder aber seien eben nicht so heteronormativ wie sie immer tun, greifen zu Easton Ellis, weil man da so wunderbar easy an gleichgeschlechtliche Erotik kommt, ohne dass es – hüstel – wem auffällt, dass es einem nur darum geht. Outing for Anfänger, gewissermaßen. Boah, als ich das gelesen habe, da war ich dermaßen sauer, dass ich ihm direkt zugestimmt habe. Es aber nicht so stehenlassen konnte, denn obendrauf musste ich noch das größte Argument packen, das für Easton Ellis spricht: seine dämliche popkulturelle Attitüde zwischen Musik, Film und Mode, ohne die kaum ein Buch von ihm auskommt. Ist im neuen Werk “The Shards” auch wieder so. Wenn die großen Konflikte sich um die Fragen drehen, ob man sein Poloshirt nun mit aufgestelltem oder abgeklapptem Kragen trägt, oder ob der Genesis-ähnliche Werdegang der Band REO Speedwagon, von Kunst zu Kommerz, nun gut oder schlecht zu bewerten ist, hach, dann ist die Welt noch in Ordnung. Zwischendrin, mit Verlaub, bläst irgendein 17-jähriger Phil einem nur unwesentlich älteren Roy noch einen, bestenfalls am Rodeo Drive oder so und wenn es sich fügt, wird gewiss auch irgendwer irgendwo ziemlich blutig abgeschlachtet. Keine Ahnung, ob das nun lupenreine Männerliteratur ist, nahegebracht wurde mir Easton Ellis sonderbarerweise von einer Frau. Allerdings lächelte die damals auch so verschmitzt, als sie meinte, der sei was für mich. Zwinker-zwinker, kicher-kicher.
Grrr. Da kriege ich doch gleich schon wieder Puls. Apropos, wo ist eigentlich mein Beil, die “Angie”? Ach, da liegt sie, bei der 17-Millimeter Glock, der “Gaby”. Warum ich eine Glock ausgerechnet “Gaby” nenne, dürfte für jeden, der seine Kindheit in den 80er-Jahren verbrachte, leicht zu entschlüsseln sein. Und Sie wissen ja, kleine Waffen kriegen Frauennamen, große Waffen Männertiernamen. Menschenmännernamen kriegen dafür oft Alkgetränke, aber lassen wir das.
Wie dem auch sei, wenn ein Buch von Easton Ellis über 700 Seiten dick ist, kann man getrost davon ausgehen, dass Minimum 200 Seiten für popkulturelles Gedöns draufgehen, das nix nix nix mit dem Plot zu tun hat. Oftmals beschleicht einen gar das Gefühl, der Autor versucht all seine Artikel zu veröffentlichen, die es anno dazumal nicht in die Feuilletons schafften. Einfach, weil er es kann. Ich verstehe jeden, den das nervt. Ich liebe das. Und wenn ich ehrlich zu mir bin, weiß ich, dass ich das ja mitunter auch mache in Romanbesprechungen. Querverweise ohne Sinn und Verstand, dass es nur so spritzt. Und ja, Easton Ellis ist wie Jörg Fauser, fängt er einmal an über Musik zu dozieren, wird deine persönliche Anhörliste länger und länger. Gerade habe ich mir beispielsweise das Debütalbum der kultigen Go-Go’s von 1981 angehört – das ist im Übrigen die Band, der die Popsängerin Belinda Carlisle angehörte, bevor sie begann sinnentleerte Kreise in den Sand zu zeichnen. Das ist echt nicht übel. Gleich mal mein pastellfarbenes Polo übergestreift, Kragen aufgestellt, in meinem Notizblock von 1981 nach den, ehm, Handynummern von Ray und, öhm, Will gesucht.
Wer das Foto betrachtet, wird leider etwas bestätigt finden, was mir dieser Tage vorgeworfen wurde. Nachdem ich meine drei Jahre fast schon quotenmäßig weibliche Autoren las, habe ich dieses Bemühen mittlerweile offensichtlich wieder eingestellt, so hieß es.Stimmt ein wenig, ja. Aktuell betrachte ich die Welt bevorzugt aus solchen Augen, wie ich sie selbst mehr oder minder am Schädel trage. Wobei ich, gesellschaftspolitisch betrachtet, auch der Meinung bin, dass das mitunter sogar mehr bringen kann. Wenn Philip Roth mir exemplarisch vorführt, was für ein hirnverquastetes, komplett eingefahren Oberarschloch ich bin, dann kapiere ich das recht schnell. Bei den vielen vor allem jungen weiblichen Autoren, die mir Ähnliches zu erklären versuchen, fragte ich mich doch zu oft, von wem die denn da wohl reden – und wo zum Teufel die immer solche Kerle kennenlernen. Aber, ich schwöre es beim Heiligen St. Generus, das stimmt nicht komplett. Auf das Bild müssten auch zwei Bücher von Autorinnen, wurden aufgrund vermutlich sexistisch-patriarchaler Strukturen im Logistikbereich aber bisher nicht geliefert. Zum einen Amélie Nothomb, “Die Kunst, Champagner zu trinken”. Und dann das ganz neue von Ottessa Moshfegh, “Lapvona”. Bei den beiden denke ich im Übrigen bei der Lektüre immer, die reden die ganze Zeit letztlich nur über mich, solche wie mich. Aber ob das nun, gesellschaftspolitisch, besser ist oder auch wieder total blöd, ach, wer weiß das schon. Wir kennen das: wie man’s macht.
Und damit entlasse ich Sie und euch in die Woche, ich lasse mich nun noch ein wenig von Bret Easton Ellis inspirieren. Was immer das nun im Detail bedeutet, überlasse ich Ihrer eigenen Vorstellungskraft, gegebenenfalls ist es auch schon sehr bald der Tagespresse zu entnehmen. Gaby, Angie und der Fliewatüüt.
Lesen Sie auch:
Suizid war gestern. Von einem, der sich erst all seiner Möbel, dann seines Ich-besoffenen Lebens entledigte. / Auszug aus dem Roman „Blaues Blut“ von David Wonschewski – und zwar: HIER.
Ja, freilich, Unter Null, was willste tun, wenn dich das Feuilleton in den Pranken hat.
“Gaby”, “Susie”, whatever… 😉
https://assets-cache0.moviebreak.de/system/bilder/movie/banner/5128f9552851aff7c200b5d6/Sledge__Susie_Wallpaper.jpg
Als “Fanboy”erkenne ich knallescharf und clever: Du hast es immerhin versucht;-)
Beim Lesen von Bret Easton Ellis kommen bei mir Leseerregungsgrade Unter Null auf.