Mein literarischer Weihnachtswunsch mütterlicherseits war eigentlich ein anderer gewesen. Es gibt so einen tollen Schuber in dem alle fünf “historischen Romane” von Lion Feuchtwanger vereinigt sind. Den wollte ich. Von meiner Mutter. Und stellte mir das auch so romantisch vor, wie sie im kalten Winter in ihrem urigen westfälischen Dorf da zu ihrem Buchladen tappert und – just like in good old times, James! – der Buchwarenrealverkäuferin die ISBN-Nummer vom Zettel vorliest. Und wir, ist ja schließlich Weihnachten, dem bösen Onlinehändlerwolf so ein Moralschnippchen schlagen.
Nun, das war der Plan. Scheiterte dann an der Buchwarenrealverkäuferin. Die tippte die ISBN wohl da in ihren Buchwarenrealbestellungs-PC, erzählte das Mammerl, und meinte dann, Little Britain forever: Computer says nooo. Der Verlag meldete ihr sechs Monate Lieferzeit. Ach du herein, der Untergang des Hauses Usher, von nix kommt eben nix, nicht mal der Untergang als solcher. Nun ja, habe ich es eben beim bösen Onlinehändler bestellt. Ist morgen da. Da ich weiß, dass hier auch Buchhändler und Verlagsleute mitlesen: Ja, mir ist bewusst, dass es konkrete Gründe gibt, die diesen brachialen Unterschied zwischen sechs Monaten und zwei Tagen Lieferzeit erklären. Dass das mit vielen windschiefen Aspekten des Gewerbes zu tun hat, gewiss aber nicht mit Unfähigkeit oder ähnlichem. Dennoch, entscheidend ist manchmal auf dem Platz und sechs Monate einfach zu lang. Ich meine, wer weiß schon, ob dieser Lion Feuchtwanger, von dem aktuell alle nie nicht reden, na ob der in sechs Monaten überhaupt noch lebt?! Ich lasse mir ungern vorwerfen, ich läse Zeug von gestern, ich sei überhaupt etwas gestrig, was Kunst und Kultur betrifft.
Dabei warte ich durchaus sehr gerne auf Lieferungen. Muss gar nicht zwei Tage später da sein, das bestellte Zeug. Im Bereich Musik mache ich das seit einiger Zeit, bestelle CDs nur noch bei so einem Mailorderladen. Flight13 (www.flight13.com). Allein bei dieser Kombination kriege ich Ewiggestriger so einen Glanz in die Augen: CDs. Mailorder. Hach! Das Tolle – und das meine ich kein Stück ironisch – ist, wenn ich da acht CDs bestelle (drunter mache ich es selten), dann kann es passieren, dass ich die vier Wochen später immer noch nicht habe. Weil die immer sammeln bis sie alle acht da haben, erst dann geht das Paket raus. Und wenn eine CD nicht pünktlich aus USA geliefert wurde und eine andere erst im Januar erscheint, nun, wartet der junggebliebene Ewiggestrige von heute halt vergeblich. Kriegt auch keine automatisierte Benachrichtigung, auch keine erste Teillieferung. Ich muss mich wiederholen, ich finde das wirklich super, nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit. Bin halt per se kein Freund von “customer focussed” in den Arschkriecherei. So ein customer darf durchaus mal mitkriegen, dass sich die Welt nicht nur um ihn dreht, darf durchaus mal das Ächzen und Krächzen von Vertriebsketten und “kleinerer” Unternehmen mitbekommen. Manchmal says Computer eben noooo – und vielleicht ist das gar nicht einmal so schlecht. Nichts erdet so sehr wie eine Ablehnung, ein “hätteste wohl gerne, is aber nicht!”.
Zurück zu Feuchtwanger. Wie dem Foto zu entnehmen ist, durfte ich mir dann was aussuchen, was der Dinosaurierhandel beschaffen kann. Gar nicht so einfach, weil es eben meine Mama ist, weil es eben ein Dorf ist. Und sich alles schnell rumspricht, bekanntlich all das, was ich mir wünsche, letztlich auf sie zurückfällt. Meine Mutter ist sehr gut bekannt mit der Disoaurierhandelsfrau. Nun stelle man sich das mal vor: “Hallo, Ute – mein Sohn hätte nun gerne statt Feuchtwanger das Best of Oswald Kolle, the golden years 1963-1972“. Geht ja mal gar nicht. Zumal sogar der geheiligte Literatenname Feuchtwanger in dem Kontext, egal. Was also dann? Philip Roth? Thomas Bernhard? Christian Kracht? Endet doch alles in: Gottogott, liebe Frau Wonschewski, was in Ihrer Erziehung ist da denn falsch gelaufen?
Nun, und so wurde es halt Philipp K. Dick. Falls jemand von euch nun denkt, höhö, dass das, also rein namenstechnisch und ums Pennäler-Eck spekuliert aber irgendwie doch, hihi, auch nah an Oswald Kolle ist, hehe: ab in die Pennälerwitzeecke, schämen. Ich habe seit einiger Zeit einen ziemlich Narren an dem bekennend schizoiden LSD-Freak Dick gefressen und weiß, dass er – obschon wahrlich bahnbrechend und vielfach verfilmt – vom Namen her eben ziemlich unbekannt ist, sogar Fachleuten, vor allem solchen mit Lieferzeit zwischen sechs und 120 Monaten. Und Bingo, die Dame aus dem Buchwarenrealladen kannte Dick nicht. Und schmunzelte wohl beim Bestellvorgang sympathisch: ja, die Jungens mögen gerne so SciFi-Sachen mit viel Raumschiffen und Laser und Bum-Bumm und Twösch und Luke, dein Vater ich bin. Oder so.
Ja, so sind sie, die Jungs. Hauptsache es explodiert was. Ob im Kopf oder in der Galaxie, egal.
Die anderen Bücher auf dem Bild sind Teil einer frischen größeren Sammelbestellung bei egal, Teil 2 folgt.
Letzter Satz: Bevor ich diesen hochwertigen Beitrag “abschickte”, schaute ich kurz nach, ob der Herr Kolle nicht etwa wirklich so eine “golden years”-Anthologie herausgebracht hat. Was mir hochgradig peinlich wäre. Dabei sah ich, dass sein Vorname nicht Oswald ist, sondern Oswalt. Ich habe es oben falsch gelassen, da ich finde, moderne Männer sollten zu ihren Schwächen stehen, zudem kämpfe ich generell für mehr Authentizität. Im Nachhinein toll sein kann schließlich jeder. Der Hauptgrund ist aber der, dass ich es liebe, wenn man von Klugscheißern in Kommentarspalten verbessert wird – und die sich durch diese Klugscheißerei selbst entlarven, beweisen, dass sie Beiträge nie zu Ende lesen. Das finde ich viel lustiger als diese feine Linie, die von Philip K. Dick zu Oswaldt Kohlle führt.
Ein Musikjournalist regt sich über alle Maßen auf. Lesen Sie den misanthropisch-sarkastischen Roman “Schwarzer Frost”. Wünschen sich diesen aber bitte nicht von Leuten zu Weihnachten, die Ihnen am Herzen liegen, die einen Ruf zu verlieren haben. Mehr Informationen: Hier.