David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Vom Zorn hemdsärmeliger Kommunisten. Soeben ausgelesen: Philip Roth – “Mein Mann, der Kommunist” (1998)

rothkommu

von David Wonschewski

Vorabfazit: 5 von 5 Sternen

Der Name des Protagonisten ist gut gewählt: Ira (lat. “Zorn”) Ringold ist ein hemdsärmeliger, etwas zu großgewachsener jüdischer Hilfsarbeiter, der in Newark, New Jersey, erst zum Außenseiter, dann zum Gewalttäter wird, um es schließlich – nach seinem Militärdienst und mit Ende des zweiten Weltkriegs – zum gefragten Radiostar und Gatten einer Hollywood-Diva zu bringen. Und das alles Dank seiner Kompromisslosigkeit, seiner Unnachgiebigkeit. Und nicht zuletzt auch (und immer wieder) seiner an der Cholerik entlangtänzelnden emotionalen Entflammbarkeit. Der Stahlarbeiter Johnny O’Day ist es, der Iras nutzbringende Unbeugsamkeit als erster erkennt – und daher beginnt ihn zunehmend politisch zu beinflussen, seinen von Natur aus hasserfüllten Rebellionsgeist mit antikapitalistischen Theorien zu unterfüttern. Ein Wagnis in den den Jahren unmittelbar nach Kriegsende, die bis heute als McCarthy-Ära nicht nur im amerikanischen, sondern auch im Weltgewissen verankert sind…

Ja, „Mein Mann, der Kommunist“ ist zunächst ein Roman über den von dem republikanischen Senator Joseph McCarthy zu Beginn der Fünfzigerjahre geführten paranoiden Feldzug gegen Kommunisten und ihre Sympathisanten. Und Roths Buch ein eindrückliches Plädoyer gegen die Intoleranz im Allgemeinen sowie gegen den Antisemitismus und ideologisch verbrämte bzw. politisch motivierte Hetzjagden im Besonderen. Doch „Mein Mann, der Kommunist“ ist nicht nur ein politischer Roman, sondern auch die Skizzierung des Weges, der mit hohen Idealen beginnt und in nichts weniger als komplettem menschlichen Scheitern endet. Denn Ringold will nicht nur die öffentliche Ordnung ändern, nein, auch an seiner privaten Ordnung müht er sich nach Kräften ab. Und erreicht schlussendlich weder das eine noch das andere. Die Figur des Ira Ringold alias Iron Rinn ist dabei so differenziert und vielschichtig wie der Aufbau des Romans: Nachdem er mit sechzehn einen Menschen umgebracht hat und über die in ihm brodelnde Gewalt erschrocken ist, sucht er nach einem Umfeld, das ihn davor bewahrt, erneut zu explodieren. Und landet ausgerechnet in den Armen einer höchst erfolgreichen Schauspielerin mit weitverzweigten Kontakte in höchste kulturelle wie politische Kreise. Eine alleinerziehende Mutter einer notorisch bockigen Tochter, die Ihre Mutter Versagen und Versäumnisse aus drei zuvor bereits gescheiterten Ehen täglich serviert. Und der Ihre Mutter nichts weiter entgegenzusetzen hat als eine sich immer weiter steigernde Opfer- und Demütigungsbereitschaft.

Was für das Publikum wie die perfekte romantische Verbindung zweier Publikumslieblinge aus Kino und Radio aussieht, ist in Wirklichkeit eine Ehehölle, die sich in der bedrohlichen Atmosphäre von Joseph McCarthys Amerika zu einer nicht enden wollenden privaten und beruflichen Tragödie auswächst.

„Mein Mann, der Kommunist“ wird selten als einer der besten Romane von Philip Roth genannt, was damit zu tun haben mag, dass der Roman aufgrund arg vieler Übereinstimmungen mit der Realität zuvorderst als ein persönlicher Rachefeldzug gegen seine eigene Ex-Frau gewertet wurde. Wie auch jedes sich gemeinmachen mit kommunistischen Idealen, jede Entschuldigung und Erklärung bis heute nur bedingt gern gesehen ist in den USA. Selten zuvor oder danach wurde „das Private, das immer auch politisch ist“ derart engmaschig verknotet erzählt wie hier. Das Ira Ringold hier keineswegs als tragischer Loser ausgebreitet wird, sondern Roth ihn im Gegenteil seinen Protagonisten in dessen Borniertheit und Dickköpfigkeit ein gutes Stück weit im „selbst schuld“-Regen stehen lässt, macht „Mein Mann, der Kommunist“ zu einer dieser Lektüren, denen der erhobene Zeigefinger komplett abgeht. Und die mächtig lange im eigenen Gedankenkosmos nachhallen.

Los, sagen wir es ruhig: Ein Meisterwerk.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 13. Oktober 2022 von in 1950 - 1999, 5 Sterne, Roth, Philip und getaggt mit , , , , , .
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