von David Wonschewski
Vorabfazit: 5 von 5 Sternen
Mein Vater war Kriminalist, kein Rassist. Sein Job, so erläuterte er es mir selbst einmal, bedingt jedoch eine analytische Herangehensweise, die nur solche Menschen als “rassistisch motiviert” benennen, denen danach ist, andere Menschen möglichst schnell in den charakterlichen Senkel zu stellen. Die sich überheblich auf die Schultern derjenigen stellen, von denen sie wissen, dass diese die Drecksarbeit für sie machen. Da geht es dem Polizisten wie dem Müllmann. Mein Vater war in verschiedenen Deliktbereichen unterwegs: Drogen, Anabolika, Produktpiraterie, Geldwäsche. Und egal in welches Kriminalitätsfeld er kam, immer tummelte sich dort zuvorderst ein Herkunftsland, das den organisierten xy in der Hand hatte und hat. Das Herkunftsland wechselte von Delikt zu Delikt, gemeinsam war alledem nur eines: (“Bio-“)Deutsche Täter traf mein Vater in den von ihm bearbeiteten Gebieten gar nicht mehr an. Als er 2012 in Rente ging, stellte er nüchtern – nicht resigniert, auch nicht zornig – fest, dass er “seinen letzten Deutschen” über 20 Jahre vorher hinter Gittern gebracht hatte. Dass er danach noch viele Menschen aus aller Herren Länder dingfest machte, lag letztlich daran, dass er je nach Themengebiet wusste, wo hinzusehen, wo zu wühlen ist. Und wo man sich das Suchen sparen kann.
Dass mein Vater keinerlei rassistische Tendenzen in sich trug, weiß ich zuvorderst aus dem persönlichen Leben mit ihm, klar. Ich weiß es aber auch, weil er sich keinen Illusionen hingab. Er glaubte fest daran, dass – würde dieses oder jenes Herkunftsland ein Deliktfeld freigeben – sich dann sofort wieder Deutsche dort breitmachen würden. Es aktuell aber wenig opportun für Deutsche ist, sich hier und dort zu betätigen. Derweil es für andere Menschen eben durchaus opportun ist, es viel näher liegt genau das zu tun. Kriminalität hatte für meinen Vater nichts mit Ethnie oder – ganz schlimm – Mentalität zu tun. Sondern ist mehr eine Melange aus Notwendigkeit und Naheliegendem. Wer präventiv einwirken will, muss letztlich also an diesen beiden Kernbegriffen arbeiten. Womit wir das eng gesteckte Feld des Kriminalisten verlassen, dessen Beruf es letztlich ist, den Ist-Zustand als gegeben anzunehmen, zu ermitteln, ohne sich die Fragen nach dem Vorher und dem Nachher zu stellen, die sich ganz andere stellen sollten: Politiker, Juristen, Gesellschaft, jeder einzelne Bürger.
Einer, der sich diese Fragen berufsbedingt zu stellen hat, ist der Strafverteidiger und nunmehr auch Schriftsteller Burkhard Benecken. Der lässt in seinem Roman “Clan-Land” den charismatischen Anwalt Lorenz van Bergen diese – wie Benecken es in seinem Buch selbst darstellt – widerlichste aller jursitischen Tätigkeiten ausführen. Finsteren Gestalten den rechtlichen Beistand zu gewähren, den unser Rechtssystem ihnen gewährt. Sich schützend vor Frauenschänder und Auftragskiller stellen, ein Drecksjob, den einerseits ja nun irgendwer machen muss. Für den andererseits aber mit Sicherheit auch die wenigsten charakterlich geeignet sind. Van Bergen ist es – und das aus dem simplen Grund, dass er abgesehen von beruflichem Erfolg und Geld wenige Wertmaßstäbe besitzt und eine fast schon blutrünstige Lust daran besitzt Leute, die vor Gericht keinerlei Chancen haben, doch noch rauszuhauen. Oder um es konkreter zu sagen: Staatsanwälte, die für das Gesetz und die Ordnung stehen, im Gerichtssaal zu besiegen. Egal wie.
Sehr entgegen kommt Lorenz van Bergen, dass wir uns in “Clan-Land” im Jahr 2044 befinden und das deutsche Rechtssystem, wie wir es aktuell kennen, von der regierenden Zero-Tolerance-Partei (ZTP) arg aufgeweicht wurde. Wie und warum Urteile gefällt werden und wie das Strafmaß festgesetzt wird, es war der Öffentlichkeit einfach nicht mehr zu vermitteln. Eine Öffentlichkeit, die mehr Transparenz und mehr Teilhabe bei Gerichtsentscheidungen einforderte, was der Zero-Tolerance-Partei genauso in die Karten spielte wie ihre Entscheidung, sich auch das Themenfeld “Umwelt- und Tierschutz” mit der gleichen Kompromisslosigkeit einzuverleiben. Mit dem Ergebnis, dass Gerichtsverfahren nunmehr zu TV-Schauprozessen mit Werbeunterbrechungen und Zuschauervoting wurden. Inklusive Hinrichtung am Ende der Show, wenn denn genug Stimmen dafür eingingen. Ist das nicht der Fall, so werden die Veruteilen in ein von TV-Kameras beobachtetes Straflager gebracht. In dem sie nicht mehr wie annodazumal Felsen zerhauen, sondern rund um die Uhr Umweltarbeiten für die Gesamtbevölkerung durchführen müssen, eine mitunter eklige bis gesundheitsschädliche Tätigkeit.
In diesem Umfeld wird Lorenz van Bergen zum juristischen TV-Star, verfügt er doch nicht nur über das Charisma, um auf den Bildschirmen zu glänzen, sondern auch über das gnadenlose Talent, jedes wirkliche Scheusal als Opfer dieser und jener Verhältnisse darzustellen. Ja, keiner spielt derart elegant auf der Klaviatur der votenden Zuschauer, die dem Event wie einer gut gemachten Soap Opera folgen, sprich: sich manipulieren lassen und Bauchentscheidungen zugunsten von Lorenz van Bergen und seinen fiesen Klienten fällen. Dann jedoch erhält van Bergen den Auftrag, er den Chefschläger eines libanesischen Clan-Chefs zu verteidigen und schließlich den Clan-Chef Abdelkarim Al-Zahidi höchstselbst. Ein perspektivloses Unterfangen, hat es sich die deutsche Öffentlichkeit, die linke wie die rechte (von der Mitte ganz zu schweigen) doch bequem darin gemacht, Muslime als gewalttätige und kriminalitätsaffine Bürger zweiter Klasse zu behandeln. Die einige Jahre zuvor in eigene Ghettos abgeschoben wurden: Neu-Berlin und Neu-Essen. Autonome Gebiete, in denen die Clan-Chefs schalten und walten können wie sie es wollen und in die kein Deutscher seinen Fuß setzt, wie jeder Muslime, der diese Gebiete verlässt, automatisch via in den Körper implantierten Chip geortet und ausgespäht wird. Auf das Clan-Gebiet haben die deutschen Behörden keinen Einfluss, befindet sich ein Araber oder Türke aber außerhalb und befindet sich in der Nähe eines Verbrechens, kann er einpacken – was für die vielen Millionen Moslems, die noch keinen Platz in den beiden Gebieten gefunden haben, genauso gilt.
Nun muss so ein autonomes Clan-Gebiet jedoch finanziert werden. Woher das Geld nehmen? VIelleicht gibt einem die deutsche Regierung ja was, aber als Gegenleistung wofür? Auch der Drogenhandel bietet sich an. Die Lizenz, Handel mit Drogen zu betreiben, haben die Libanesen exklusiv von der ZTP erhalten, denken jedoch nicht daran, diese Befugnis nur auf ihrem eigenen Gebiet zu nutzen. Warum nicht? Warum die ZTP eine solche Lizenz überhaupt erst ausgegeben hat ist die nächste Frage, die sich fast zwangsläufig daran anschließt – auf all das gibt Benecken uns eine Antwort, die mehr als nur plausibel erscheint. Getan wird, was nötig ist. Getan wird auch, was nutzt.
Vor dem Hintergrund der Entführung des deutschen Innenministers beginnt Lorenz van Bergen sich auf die muslimische Gemeinde in den autonomen Gebieten einzulassen, sich mit dem Clan-Chef Al-Zahidi anzufreunden und dessen Beweggründe für sein beständiges Agieren im kriminellen Bereich erst zu durchleuchten, dann zunehmend zu verstehen. Bedrängt von deutschen Sicherheitsbeamten auf der einen Seite und umgeben von ihm mitunter fremd erscheinenden Begriffen von Anstand und Ehre auf der anderen, der muslimischen, kommt der Staranwalt zum ersten Mal in seinem Leben nicht umhin, sich Fragen zu seinem eigenen, wertebefreiten, oberflächlichen Leben zu stellen. Sich zu überlegen, ob nicht auch er, der sich als Anwalt als automatisch auf der Seite von Recht und Ordnung stehend erachtete, als einer, der vielleicht andere manipuliert, sich jedoch niemals selbst manipulieren lässt, ob nicht auch er Teil eines kaputten, durchtriebenen, letztlich höchst unanständigen Systems ist.
Sieht man einmal davon ab, dass Burkhard Benecken im Mittelteil des Romans seinen Protagonisten ein wenig zu fasziniert vom islamischen Leben sein lässt, macht er in “Clan-Land” alles richtig. Dass wir es hier mit einem schreibenden Strafverteidiger und – qua Erfahrung – Clan-Fürsprecher zu tun haben, der sich weitaus besser mit juristischem und auch arabischem Leben auskennt als die meisten anderen Wortführer und Entscheidungsträger in unserem Land, merkt man sofort. Eine frische, literarisch noch nicht so ausgelatschte Mixtur, die Benecken zu einem hoch spannenden Politthrillerplot mit integriertem Kulturkenntnisgewinn aufputscht. Ja, ihm ist ein regelrechter Pageturner gelungen, atemlos suchten wir uns mit dieser gelackten Anwaltstype van Bergen durch diese doppel- und dreifachbödige Story und erleben, wie er dabei gleich mehrfach vom Helden- ins Antiheldenkostüm rutscht – und wieder zurück. Auch wenn es, wie erwähnt, kurzzeitig so aussieht als würde er dabei mitunter die juristische Nüchternheit und Objektivität verlieren, sich allzu sehr auf Muslime als charakterlich integre Daueropfer verlegen, so kriegt er auch hier einen guten Bogen hin, stellt Arabern und Türken keineswegs einen Verhaltensfreifahrtschein aus, den Deutsche zu verstehen und zu tolerieren haben.
Ein richtiggehendes Pfund ist “Clan-Land” jedoch im, nun, theoretisch-visionären Bereich. Der gerade deswegen so faszinierend gerät, eben weil das alles so verdammt visionär gar nicht ist. Dass die Bevölkerung qua digitaler Medien eigene populistische Urteile fällt und zu Vollzug bringt, ist längst Realität. Dass eine Law-and-Order-Partei nach der Macht greift ebenfalls, nicht zu vergessen der auffallend autoritäre Tonfall all jener, die sich für Themen starkmachen, die aktuell noch als eher links der Mitte verortet werden. Dass eine Partei sich diese quer über das ganze politische Spektrum ausbreitende wütend-kompromisslose Ansprech- und Anspruchshaltung zunutze machen könnte, ist nicht länger ein beängstigender Gedanke, sondern längst ein Fakt, das wir auf diversen großen Demos der vergangenen Wochen bestätigt gefunden haben. Last but not least und besonders spannend natürlich die Überlegung, wie hirnverbrannt autonome Gebiete für Muslime auf deutschen Gebiet eigentlich wären. Bezirke mit fast durchweg muslimischer Bevölkerung gibt es bereits, einfach noch ein paar Straßenzüge hinzufügen – und dann dürfen sie dort Moscheen bauen und Scharia durchsetzen und mit Frauenrechten und Kopftüchern umgehen wie sie es eben selbst möchten. Benecken – man erlaube mir das hier schon kundzutun- lässt die Frage, ob autonome Gebiete für Muslime richtig angegangen nun die Lösung oder aber ein himmelschreiender Murks wären, der eh nicht funktioniert, unbeantwortet. Und so bleibt es – und genauso muss eine Dystopie geschrieben sein! – dem Leser selbst überlassen sich ein paar Gedanken darüber zu machen.
Ja, mein Vater war Kriminalist. Aber ich habe meine eigene Vita. Als ich ein Jahr lang in Israel war, hatte ich die Möglichkeit, einige Wochen in Gaza zu leben, den palästinensischen Alltag in einem autonomen Gebiet zu erleben. Viele Grundsätzlichkeiten der arabischen Gesellschaft haben mir nicht zugesagt und werden es auch nie. Das Gefühl, auf menschliche, ehrliche, tiefe Werte zu stoßen, habe ich jedoch nie wieder so heftig gespürt wie dort. Man mag Araber mitunter als Hitzköpfe verunglimpfen, ich selbst lese seit jener Zeit jedoch ein Kompliment aus dieser Bezeichnung, deutet es doch darauf hin wie unterkühlt wir selbst längst geworden sind. Die frappierendste Erkenntnis war jedoch eine ganz andere: Nach einigen Wochen in Gaza verstand ich, warum aus jungen Männern Steineschmeißer und Bombenleger werden. Und warum das, was wir als “ehrliches und anständiges Leben” bezeichnen, dort keine so naheliegende Option ist wie für uns. Schlussendlich verhält es sich mit dem Anstand doch genauso wie mit der Moral: Er ist ein Luxus, den sich nur die Privilegierten erlauben können. Wer glaubt arabische Wut sei islamischen Hetzrednern zu verdanken, geht die Sache falsch an. Mir wurde dort in Gaza schnell klar: Wäre ich Palästinenser, ich würde auch Steine werfen, vielleicht sogar mehr als das.
Im Laufe des Jahres wurden viele Bücher und Texte zum Thema Rassismus und Diskriminierung veröffentlicht. Die meisten gingen an mir vorbei, der Tonfall der Selbstgerechtigkeit stößt mich seit jeher ab. Es ist dem Strafverteidiger Benecken und seinem vielschichtigen, eben weil so vielseitig-angreifbaren “Clan-Land” zu verdanken, dass auch ich mich diesem Thema wieder widmen kann.
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Danke für die Rezension und die persönlichen Bemerkungen über den Roman von Burkhard Benecken: „Clan-Land“. Auch die Bemerkungen von Herrn Stamer kann ich nachvollziehen und freue mich über den sachlichen Ton, mit dem er zum Thema beiträgt. Inhaltlich bin ich aber der Position von David Wonschewski näher, denn als Menschen passen wir uns jeweils den Verhältnissen an. Genetisch gesehen gibt es keine Unterschiede, es gibt also auch keine biologischen Konstanten, die Menschen aus verschiedenen Regionen verschieden machen. Antworten finden wir immer, wenn wir Menschen in ihrer Umgebung kennen lernen und zu verstehen versuchen, was sie antreibt. Einwanderung, leider auch Vertreibung und Hot Spots für Kriminalität gab es in unserer Gesellschaft schon immer. Diese Phänomene kann man eben nicht als „muslimisch“ bezeichnen. Sie sind soziale Phänomene, die wir als Aufgabe betrachten müssen.
Ich habe den Roman auf die Liste meiner Bücher gesetzt.
Eigentlich ist es ganz einfach: ich hätte gern ein Deutschland, in dem keine Clans wüten, in dem keine parallelgesellschaftlichen Exklaven bestehen und in dem ich unbelästigt und unbehelligt spätabends über die Straßen gehen kann. Das kein Tummelplatz und bevorzugtes Operationsgebiet von Kriminellen aus aller Herren Länder ist. Ich hatte eins, aber das war eine Diktatur.
Bis jetzt hat mir noch niemand erklären können, warum eine freie Gesellschaft so regellos sein muss, daß sie diese fürchterlichen Nebenwirkungen in dieser fatalen Ausprägung duldet und, was die Linken betrifft, die alles typisch Deutsche regelrecht hassen, herbeisehnt und fördert. Ich will diese Leute einfach nicht hier haben, sie haben eine andere Heimat. Sie sind nicht gekommen, um zum deutschen Gemeinwesen beizutragen, dann sollen sie auch wieder gehen.
Migration in kontrolliertem Ausmaß mag eine Gesellschaft befruchten, keine Frage. Massenmigration hat aber noch nie irgendwo positiv gewirkt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Indianer oder Aborigines von morgen werden. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das ich leider im Netz nicht mehr gefunden habe. Aber ich erinnere noch den Inhalt. Er geht ungefähr so:
“Wenn ein Nachbar zu Besuch kommt, schlachte ein Huhn. Wenn eine Familie zu Besuch kommt, schlachte ein Schwein. Wenn aber ein ganzes Dorf vor der Tür steht, schärfe die Speere.”
Deutschland hat nie die Speere geschärft. Deutschland hat Gastfreundschaft geboten gegenüber einer feindlich eingestellten Kultur, die die deutsche Gesetzlichkeit und Kultur verachtet. Es ist ein kulturelles Problem, nicht nur ein religiöses. Im Nahen Osten gibt es nur Diktaturen und Kriege. Seit Jahrtausenden. 24 Stunden nach der Gründungserklärung des Staates Israel wurde er von mehreren arabischen Staaten angegriffen. Israel ist nur deshalb noch auf der Landkarte zu finden, weil es das “Gesetz der Wüste” (Konzelmann) respektiert hat, statt es zu verleugnen.
Die Clans von heute waren in den achtziger Jahren Asylbewerber und die Asylbewerber von heute werden die Clans der Zukunft stellen. Das ist für mich aber kein Naturgesetz, es hat nur mit mir nichts mehr zu tun, denn dann werde ich, gottseidank, nicht mehr leben.
Ich fand den Artikel interessant. Ich halte ja auch nicht die Gegenseite für blöd. Ich kann mich ihr nur nicht anschließen. Die Gegenargumente, vor allem Ihre persönlichen Bemerkungen, Herr Wonschewski, beeindrucken mich, überzeugen mich aber nicht.