David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

Ach, hätt‘ ich doch nur was Anständiges gelernt. Oder: Und, was lest ihr gerade so? 09. Mai 2022

Wie alle kreativ-künstlerisch tätigen Menschen komme ich mit sehr unschöner Regelmäßigkeit an den Punkt, wo so ein bisschen Einkommen mal nicht schlecht wäre. Sie wissen schon, jene übel beleumundete und nur bedingt verhandelbare Masse, die es braucht, Magen zu füllen, Mieten zu zahlen.KHalb so schlimm, kennen wir alle: Der Gerichtsvollzieher klingelt an der Tür, man macht nicht auf, man ist ja nicht blöde. Dafür, zack!, im Sturzgleitflug unters Sofa. Man denkt sich da unten zwar: ohgottoogott-ohgottogottogott! Was habe ich getaaan?! Ist aber gar nicht nicht so überrascht, wie man da tut, man weiß ja ,was man getan, also nicht getan hat: Miete nicht gezahlt, Magen nicht gefüllt, vorm Zuhälter Reißaus genommen. Und gerade weil kreativschaffende Wiederholungstäter sind wartet das Survival-Kit ja auch bereits auf den künstlerischen Menschen, dort unten, unnam Sofa: Marsriegel für ne Woche, Biervorräte, Schnaps, Wein. Okay, da habe ich jetzt geflunkert. Das Zeug ist kein Survival Kit, das ist immer da unten drapiert. Für den Fall, dass mal Gäste kommen, die ich über meinen wahren Charakter im Unklaren lassen möchte. In so einen Kühlschrank ist ja schnell mal geschaut. Kennt auch jeder, das Date erfolgreich in die eigene Bude gelockt, hat die Triene doch echt nix Besseres zu tun als („wollt nur mal guggn, hihi!“), vogelfrei in den Kühlschrank zu glotzen. Natürlich reagiert man dann kriminell, wie auch sonst. Bis man halt auf die glorreiche Idee kommt, die wirklich entlarvenden Grundnahrungsmittel eben nicht mehr im Kühlschrank, sondern direkt unterm Sofa zu parken. Wissen macht Ah! Seit ich mein Zeug nicht mehr offen sichtbar im Kühlschrank lagere, sondern versteckt unterm Sofa, ist auch mein Verbrauch an den großen 180 Liter-Mülltüten rapide gesunken. Wer den Satz nicht rafft, zeigt nur, dass er kein Herz für amerikanische Thrillerstoffe hat.

Verdammt, schon wieder thematisch abgeschwoffen. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich regelmäßig die Jobinserate durchstöbere. Und dadurch echt modern bleibe, was Entwicklungen betrifft. Diverse Firmen suchen neuerdings – ist kein Witz, online weiterhin zu finden – „Velo-Kurierende“. Da ich durchaus über Qualifikationen verfüge, nur halt nicht solche, die sich monetarisieren lassen, habe ich das mit meinem Graecum, Latinum und (hört, hört!) Hebraicum sofort entschlüsselt: Die suchen offenbar Leute, die sich auf die Fahrradheilkunde verstehen. Finde ich super, hätte es früher nicht gegeben. Da ging es immer nur um Menschen oder Tiere oder Pflanzen. Vermutlich hat da im Zuge der neuen Befindlichkeiten und infolge des durch Corona stark angestiegenen Bedarfs an Fahrrädern ein Umdenken stattgefunden. Man sorgt sich nun auch um das Heil von Rädern. Wer Fahrradheilkunde auf kräftig pumpen und nach allen regeln der Kust Löcher flicken reduziert, zeigt doch nur, dass er diverse Identitätsdebatten der Vergangenheit einfach nicht verstanden hat. Den „grünen Daumen“ gibt es schon lange, nun auch den „ölenden Daumen“. Da bin ich doch sofort für zu haben. Nun bin ich aber kein Mediziner, ich habe nur vor 97 Jahren mal beim Führerschein so einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Frage ist: Reicht das? Mund-zu-Lenker-Beatmung kriege ich hin, oft erfolgreich durchgeführt, meistens etwas widerwillig – Ha! – aber Herz-zu-Speichen-Transplantation, boah, das ist eine andere Liga, das könnte ich nicht. Ich kann ja auch kein Öl sehen und so.

Wie, wenn man Genderprache weniger aus sexistischen, sondern vor allem aus sprachlich-logischen Gründen ablehnt, dann kann man das auch klar so sagen und muss nicht so einen pseudo-sarkastischen Affen schieben wie ich da oben? Habe ich bis vor wenigen Wochen auch noch gedacht. Mittlerweile halte ich den Affen für effektiver. Also heilsamer a.k.a. kurierender. Gerade in großen und weitläufigen Tierparks soll der Job des „Affen-Kurierenden“ sehr im Kommen sein, vernahm ich.

Was ich gerade lese? Sieht man doch. Einen aus meinem Triumvirat der größten Schriftsteller. Neben Bernhard und Roth: Szczepan Twardoch – „Demut“, ganz neu, 2022. Selten kam ein Roman so ungeplant zeitlich so geplant daher: das wirre, kriegerische Osteuropa, der Quell all dessen, was uns aktuell so Angst macht. Twardoch lotet die Wurzeln aus, ist brutal wie immer, geschmacklos auf positive Art. Kriegsromane, die hintenrum den Frieden feiern, das ist sein Metier. Ob er mit den Vorgängern mithalten kann, hm, weiß ich noch nicht, bin auf Seite 102. Auch der Beste muss sich irgendwann fragen lassen, ob er nicht etwas redundant und monothematisch gerät, so langsam. Ist jammern auf Hochniveau, klar. Ich finde es ja geil, frage mich nur, ob er quasi der Lionel Messi der Literaturbranche ist. Platz gefunden, geblieben, Erfolge gefeiert. Kein Vergleich zum ungleich mutigeren Cristiano Ronaldo.

Ups, ich muss enden. Es hat geklingelt. Wer mich sucht, mich aber auf dem Sonnendeck nicht findet – weiß jetzt immerhin Bescheid.

Kommt gut durch die Woche, dekct euch mit Schokoriegeln ein –

es grüßt

David Wonschewski

5 Kommentare zu “Ach, hätt‘ ich doch nur was Anständiges gelernt. Oder: Und, was lest ihr gerade so? 09. Mai 2022

  1. Farce Mundi
    11. Mai 2022

    Es gibt dazu leider keine validen Daten, da Velos keiner Testpflicht unterliegen. Verantwortungsbewusste Bürger fragen sich, ob ein zu lässiges Fahren fahrlässig ist. Prof. Dr. Streeck hat zwar auf Türklinken keine ernsthaft vermehrungsfähigen Viren ausfindig machen können, aber gerade die gummierten Griffflächen am Fahrradlenker bergen ein nicht hinzunehmendes Risikopotenzial, weshalb es ratsam ist, nur noch Handgriffe aus Edelstahl zu verwenden.

  2. davidwonschewski
    11. Mai 2022

    Ha, vielen Dank, ja stimmt. Wobei, hm, ist es denn schon bewisen, dass Velos Corona kriegen können? Obwohl, sicher ist sicher, wäre doch schade, ich rette es erst und übertrage dann Corona. Komme nicht aufs Rad, weil selbiges eine Velo-Quarantänende ist in der Folge…. Viele Grüße!

  3. Farce Mundi
    11. Mai 2022

    „Mund-zu-Lenker-Beatmung“
    Da der Erste-Hilfe-Lehrgang etwas her ist (97 Jahre), gibt’s jetzt eine Auffrischung, David. Seit und wegen Corona wird in der Ersten-Hilfe offiziell(!) keine Beatmung mehr empfohlen/vorgenommen.

    Beste Grüße,
    Daniel

  4. amanita
    10. Mai 2022

    Achso, ja, lesen tue ich gerade „Harold“ von einzlkind. Meine Einschätzung: Geeignet für Fans von „Harold & Maude“ und „The Big Lebowski“, ansonsten eher als Lektüre für die 10. Klasse geeignet, die sich dabei sicherlich mehr amüsieren würde als bei „1984“, dessen böse Zeichen und realistische Anmutung sie heute kaum noch zu deuten wüssten (behaupte ich mal),,😄

  5. amanita
    10. Mai 2022

    Kennich, kennich, das Freischaffenden-Minuswachstum in der Geldbörse. Ja, und Velo-Kurierende, cool interpretiert😄Mir fehlt das Hebraicum und so hab’ich das Wörtchen erst mal ziemlich unbedarft als „Velo-Kurier-Ende“ aufgefasst, was eigentlich wenig Sinn ergäbe🤔

Kommentar verfassen

Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 9. Mai 2022 von in Nachrichten, Und, was lest ihr gerade so? und getaggt mit , , , , , , .

Entdecke mehr von David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen