David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

Die faszinierende Geschichte hinter dem Mega-Hit, Teil 5. Heute: Michael Jackson – „Beat It“ (1982)

von David Wonschewski

Klar, bevor Michael Jackson mit „Thriller“ das bis heute meistverkaufte Album aller Zeiten aufnahm (66 Millionen Exemplare gingen bis heute über Ladentheke und Digitalkanäle), war er längst ein veritabler Star. In gewissen, wenn auch breiten Kreisen. Als Kind steuerte er als Mitglied der Jackson 5 maßgeblich zum Ruhm des Motown Plattenlabels bei, mit seinem fünften Solo-Album „Off the Wall“ (1979) verzückte er zumindest schon einmal das halbe bis ganze schwarze Amerika sowie alle discoinfizierten Dancfloorenthusiasten beidseits des Atlantiks.  Der schließlich an Wahnsinn grenzende Megaerfolg von „Thriller“ verdankte sich jedoch einer anderen, seinerzeit schlichtweg genialen (und später oft billig kopierten) Idee: Crossover.

Um auch bei weißen Mittel- und Oberschichtlern, Akademikern und, sagen wir, Stahlarbeitern Erfolg zu haben, so erkannte Jackson schnell, musste er seiner Musik eine musikalische Zutat hinzufügen, die seinen Songs bisher gefehlt hatte.Ohne zugleich – und das war die Herausforderung – seinen alten, längst etablierten und erfolgreichen Stil komplett in die Tonne zu treten.


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Wenn der depressive Musikredakteur den selbstverliebten Radiomoderator erschlagen möchte.

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Nun, diese Zutat hieß schlicht und einfach: eine kräftige Prise Rock. Etwas wie „My Sharona“ (1979) schwebte Produzent Quincy Jones vor – nur eben auf Jackson Art. Soetwas, so trug er seinem Schützling auf, sollte dieser schreiben. So weit die Theorie, die fein die Idee. Erste Liedideen hatte Jackson schnell parat – wie aber konnte es einem farbigen Dance-Musiker zu Beginn der achtziger Jahre gelingen auch das Publikum von, sagen wir, Van Halen für sich zu gewinnen? Nun, das ist simpel: indem man den Mann, der maßgeblich für den harten Sound dieser amerikanischen Rockinstitution verantwortlich ist, für ein paar Songs auf „Thriller“ zu engagieren: Eddie Van Halen.

Wobei „engagieren“ hier ein wenig hochgegriffen ist, denn als Produzent Quincy Jones den Ausnahmegitarristen zu Jacksons Aufnahmen ins Studio bat war als Entlohnung lediglich ein doppelter Sixpack Bier verabredet. Den Rest kredenzte der gebürtige Niederländer dem künftigen „King of Pop“ für lau. Als Van Halen ins Studio um seinen Beitrag zu „Beat It“ zu leisten war Jackson Abwesend. Er hörte sich das Stück an, war höchst angetan, bat den Toningineur jedoch die Nummer ein wenig umzustrukturieren. Um Platz zu schaffen für einen Witz von Rockgitarrensolo – das mal ebenso Geschichte schreiben, auch Jahrzehnte hinaus unverkennbar bleiben sollte.

Zwei Takes brauchte Van Halen, mehr nicht. Trank sein Bier, ging. Er habe gehofft, so gestand Van Halen viele Jahre später, dass Jackson ihm im Gegenzug irgendwann vielleicht einmal ein paar Tanzstunden gibt.

Wesentlich mehr Verrenkung als für Van Halen kostete es da schon Michael Jackson, die Nummer zu Ende zu bringen. Denn das Lied erzählt die Geschichte vom rauen Gangleben auf der Straße – und somit einem Leben, das Jackson selbst nie kennegelernt hatte, da er von Kindesbeinen auf Tour war, von Privatlehrern erzogen wurde. Woher also eine Credibility nehmen, wenn man keine hat? Nun, ein paar Wiederholungen von „West Side Story“ taten hier ihren Dienst, immer wieder zog Jackson sich die Verfilmung des gleichnamigen Musicals rein. Bis der Text sich wie von selbst schrieb.

Im Videoclip zu „Beat It“ – einem der meistgespielten Clips der MTV-Ära – spielten dann tatsächliche Gangmitglieder der „Bloods“ und der „Crips“ mit, aufgelesen auf den Straßen von Los Angeles.

Lesen Sie auch die Hintergrundgeschichte zu:

Kansas – „Dust in the Wind“. Und zwar: HIER.

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David Wonschewski, Jahrgang 1977, wuchs im Münsterland auf und ist seit 25 Jahren als Kulturjournalist für Radio, Print & Online tätig. Als leitender Redakteur gestaltete er viele Jahre das musikalische Programm landesweiter Stationen, führte Interviews mit internationalen Künstlern (Cliff Richard, Joe Cocker, Pet Shop Boys, Take That, Paul Young) verfasste knapp 450 Musikrezensionen sowie PR-Texte für u.a. Reinhard Mey. Er saß von 2013 bis 2015 in der Jury der renommierten Liederbestenliste, ist Mitbegründer der noch immer existenten Liederatur-Bühne „Geschmacksverstärker“ im Zebrano-Theater Berlin. Sein von der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft empfohlener Debütroman „Schwarzer Frost“ brachte ihm 2013 erste Vergleiche mit Autorengrößen wie David Foster Wallace, Bret Easton Ellis oder eben Thomas Bernhard ein.

3 Kommentare zu “Die faszinierende Geschichte hinter dem Mega-Hit, Teil 5. Heute: Michael Jackson – „Beat It“ (1982)

  1. davidwonschewski
    28. August 2020

    😉 Klingt jetzt gewiss etwas anbiedernd, aber sehe ich genauso. Zu Prince kam mir halt nur nicht eine ähnlich erzählbare Story unter. Aber guter Anreiz, habe auch nie so richtig geforscht. Ich habe vor zwei Jahren erst die ersten 4 Alben von Prince mir ge“zogen“. Klar, etwas qutschig 80er – aber auch nur, weil wir den Sound inzwischen als solchen so kennen. Ich bin null Tänzer, aber prince ist einer, der mich fast dahin kriegt. Etwas weniger sexuelle Texte wären nett, aber naja, ich kann mit meinen 185 Gardemaß auch locker so reden

  2. Bludgeon
    28. August 2020

    Naja. Dieses Buhei werd ich nie verstehn: I! a! u! biedit, dschasst biedit, ää!

    Prince war der bessere schwarze Superstar der Zeit.

  3. Maccabros
    20. August 2019

    Auf jeden Fall ein stets starker Song… 👍

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 21. März 2023 von in Musikspezial: Die Geschichte hinter dem Hit, Nachrichten und getaggt mit , , , , .

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