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Schon gewusst?
Kansas waren eine Hardrockband, deren Leadgitarrist und Songwriter Kerry Livgren ein Held auf der E-Klampfe war – doch ein absoluter Anfänger auf der Akustikgitarre. Wild und heftig war für ihn nie ein Problem, doch so sanft und introvertiert daher gniedeln wie ein Cat Stevens oder James Taylor, das konnte er einfach nicht. Und genau das wurmte ihn – so sehr, dass er eines Tages beschloss nach seinen üblichen Proben mit der Band zu Hause ganz geheim ein wenig an genau diesem Feingefühl zu arbeiten. Zu exakt diesem Zweck dachte er sich einfach ein kleines Übungslied aus, einen Song, den er als nicht besonders gelungen empfand und den er dementsprechend auch niemals seinen Kollegen von Kansas zeigen wollte. Und so war es nur seine Frau, die diesen Song ab und an hörte, wenn Kerry spät am Abend noch in der Küche saß und einen auf “sanfter Troubadour” machte.
So zogen Wochen, ja gar Monate ins Land. Bis der Zufall es wollte, dass Kansas bei den Aufnahmen zu ihrem 1977er Album “Point Of No Return” noch genau ein Lied fehlte. Alle schauten also Kerry an, ihren Stammsongwriter, der sich jedoch zierte mit seinem Übungslied um die Ecke zu kommen. Kein Wunder, fürchtete er doch die Reaktionen seiner auf Hardrock getrimmten Kumpels. Und so ist es nur der ausgiebigen Überzeugungsarbeit seiner Frau zu verdanken, dass er ihnen das Lied “Dust In The Wind” doch noch vorspielte. Der Song kam auf das Album, wurde sogar als Single ausgekoppelt – und zum größten Hit einer Band, die im Grunde nie viel übrig hatte für Schmusesongs.
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Die Story war mir bisher nur in Ansätzen bekannt. Ich habe Michaelis ne Zeit mal profesionell vermehrt treffen dürfen, da war ich noch beim Berliner Rundfunk und er wohl so naiv zu glauben das Formatradio interessiert sich noch für handgemachtes deutsches Zeug. Ich finde die Nummer super, nicht zuletzt weil die “Ost-Texte”, wenn auch gezwungenermaßen, lyrischer werden mussten, um politisch zu sein. Ich weiß nicht, ob da nicht auch gerne viel reininterpretiert wird, aber “Am Fenster”, “Als ich fortging”, auch diverse Karat-Sachen, wenn man bereit ist das Regimekritik und Republikflucht rauszuhören, werden die ziemlich geil. Am meisten angetan haben es mir in der Richtung Lift und mit Abstrichen Electra. Ach und Pankow, die finde ich auch heftig gut.
Sowas ähnliches passierte auch “Als ich fortging” von Dirk Michaelis. Der war ende der 80er Sänger von Karussell, das waren die belanglos gewordenen Renft-Erben. 1987 spielten sie “Cafe anonym” ein. Ihr miesestes Album. Ein Lied fehlte. Michaelis, der Youngster unter den alten Herren dort hatte mit 14 eine Liebeskummermelodai ersonnen, die spielte er nun vor. Den alten Herren um in rum war’s recht. Gisela Steineckert bekam das Instrumental vorgespielt; sie textet dann; das Lied wurde “Hit des Jahres’87” und schließlich bröckelte der Ostblock -zuerst in Ungarn- und viele Ossis hauten ab – und “als ich fortging” passte, wurde nochmal Hit und Wendehymne und ist obendrein der einzige brauchbare Song auf “Cafe anonym”.
Wir hatten in den 80ern nur ORF 1 und 2, da kann ich mich an keine Meßmer Werbung entsinnen. Wahrscheinlich sind wir Ösis da pragmatischer, bei uns macht die Teekanne den Tee… 🙂
😉 Ja, wobei es bei mir entkitscht wurde durch die 80er Jahre-Werbung, mit der ich aufwuchs. Für mich ist das Lied daher kein Kitsch, sondern Kommerzpusher…Meßmer Tee war es, wir erinnern uns mit Freude….
Jetzt muss ich es mir unbedingt wieder anhören. Dabei mag ich doch gar keinen Kitsch…
Als großer Fan von völlig nutzlosem Wissen über alles aus der Popkultur ein für mich natürlich sehr interessanter Beitrag. Wobei Kansas für mich immer als erstes mit Carry On Wayward Son verbunden ist. Schon, weil der immer so cool in das Supernatural Staffelfinale eingebaut ist. Ich mag aber sowieso lieber die richtig rockigen Dinger von damals. Auf so ruhiges Akustiggeschreddel muss ich schon Bock haben, sonst nervt mich das irgendwie.
Reblogged this on Der Jupp mag Musik. und kommentierte:
Da schau einer guck…die Nummer kann ich ja ehrlich gesagt nicht mehr ab, aber wenn das SO ist hör ich glatt nochmal rein.
Aha. Wem wird meine Frau meine heimlichen Lieder vorspielen?
Aber ich mag den Song … sehr!
Wie toll ist denn diese Anekdote, bitte? Klasse! 🙂