David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Die faszinierende Geschichte hinter dem Mega-Hit, Teil 10. Heute: The Animals – “The House Of The Rising Sun” (1964)

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Ein misanthropischer Musikjournalist tobt sich aus – lesen Sie auch „Schwarzer Frost“, den von der Thomas Bernhard-Gesellschaft empfohlenen bitterbösen Debütroman von David Wonschewski. Mehr Informationen zu diesem Buch finden sich: HIER.

von David Wonschewski

Historiker sind sich bis heute uneins, was genau es denn dereinst war, mitten in New Orleans, dieses “House of the rising sun”. Zwei Theorien gelten hier als Favoriten:

a) es war ein Bordell, dessen Eigentümerin den Namen “Madame Marianne LeSoleil Levant” trug, was übersetzt soviel bedeutet wie “aufgehende Sonne” bzw. “rising sun”. Dieses Bordell gab es mit Beginn des Bürgerkriegs, 1862, bis es 1874 aufgrund von Beschwerden aus der Nachbarschaft geschlossen werden musste.

b) es war ein Frauengefängnis, das offiziell den Namen “Orleans Parish women’s prison” trug und auf dessen Eingangstor eine große aufgehende Sonne zu sehen war.

Von kaum einem Song existieren so viele Versionen wie von “The House Of The Rising Sun”, was wohl auch daran liegt, dass die Melodie eine traditionelle englische Ballade ist und tatsächlich niemand die Rechte an Text oder Komposition besitzt. Jeder kann also für lau seine eigene Version anfertigen und auf den Markt werfen. Erstmalig populär wurde das Lied in der afroamerikanischen Community in den 1920er-Jahren, seinerzeit aufgenommen von Texas Alexander. Dem folgten Musikgrößen wie Woody Guthrie oder auch Nina Simone, deren Version es auch ist, die die Animals hörten und Sie für die Idee begeisterte, es mit einer eigenen Interpretation zu versuchen. Doch derweil früher Versionen mutig eine Gefangene oder eine Prostituierte zur Protagonistin machten, schreckten die ansonsten gar nicht so handzahmen Animals vor einem potenziellen Verkaufskiller zurück – und stellten einen Zocker ins Zentrum Ihres Songs, um sicherzustellen, dass Radios die Nummer spielen werden.

Die große Bedeutung dieser Animals-Version – #1 USA, #1 UK – lässt sich jedoch nicht allein an Chartsplatzierung und Verkaufszahlen ablesen. Sie hatte darüber hinaus maßgeblichen Einfluss auf einen der größten und wichtigsten Dreh- und Angelpunkte der Musikgeschichte. Denn niemand Geringeres als Bob Dylan hatte zwei Jahre vor den Animals bereits eine Folkversion des Stücks aufgenommen und 1962 auf seinem Debütalbum platziert. Und er hätte diesen Track wohl selbst fast wieder vergessen, wenn er nicht wenige Monate später die Version der Animals gehört hätte und ihm schier die Kinnlade herunterklappte. War es doch exakt der Punkt, an dem Bob Dylan erstmalig bemerkte – und lernte – welche Intensität Folksongs entwickeln können, wenn man sie ein wenig unter Strom setzt. Will heißen: Rockzutaten beimengt. Kurz danach kam es zum heute legendär-skandalösen Auftritt beim Newport Folk Festival, als er die dortige Fangemeinde mit E-Gitarre und Drums nachhaltig verstörte, sich den Ruf einfing ein “Judas” zu sein. Nie wieder der Folkie wurde, als der er berühmt geworden war.

Die Veröffentlichung des Songs, also der Animals-Version, fiel just in jene Zeit, in der die Beatles gerne einmal die ersten vier oder fünf Chartpositionen gleichzeitig besetzten und die Frage nach der nächsten Nummer 1 eigentlich nur eine Antwort kannte: na, was immer die Beatles als Nächstes veröffentlichen! Ausgerechnet den Animals, die ihre Single in einem einzigen Take ohne Nachbearbeitung aufnahmen, war es vorbehalten mit ihrem Uraltstück im Jahr 1964 endlich mal wieder einen anderen Bandnamen an die Spitze der Charts zu setzen. Was die Pilzköpfe in bekannt lakonisch-ironischer Manier dazu bewog den Animals ein Telegramm zukommen zu lassen: “Congratulations from The Beatles (a group).”

Produzent Mickie Most – auch verantwortlich für Großtaten von Herman’s Hermits, Jeff Beck oder Donovan – schämte sich späterhin fast, hier als Produzent in die Credits eingeflossen zu sein, wie er später dem Melody Maker im Interview gestand: “Verdammt, es stimmte einfach alles. Die Planeten standen richtig, die Sterne auch, der Wind kam aus der richtigen Richtung. Es hat nur 15 Minuten gedauert und ich habe nur auf den Aufnahmekopf gedrückt.”

Ob die Stimmung innerhalb der Animals angesichts ihres größten Hits über die Jahre gut geblieben ist, darf bezweifelt werden, trennte sich die Band doch 1968. Nicht zuletzt auch aus monetären Gründen. Gut nachvollziehbar, findet sich von der Band doch nur Orgelspieler Alan Price in den Credits. Ist also der einzige Animal, der je von den bis heute umfangreichen Tantiemen profitierte. Dass nur Price dort genannt ist, hat einen Grund, der das Bandklima nachhaltig vergiftet haben dürfte: Das Plattenlabel hatte den Animals gesagt, auf dem Antragsformular sei nicht genug Platz, da passe halt nur ein Name drauf…

Lesen Sie auch die Hintergrundgeschichte zu:

Kansas – „Dust in the Wind“. Und zwar: HIER.

Kate Bush – „Wuthering Heights“. HIER.

Noch viele mehr –HIER.

2 Kommentare zu “Die faszinierende Geschichte hinter dem Mega-Hit, Teil 10. Heute: The Animals – “The House Of The Rising Sun” (1964)

  1. Amanda Lears
    22. April 2020

    Interessant.. ich fragte mich schon oft auf welche Bedeutung dieses „Haus der aufgehenden Sonne“ zurück geht. Ich mag es gern, spiel es gern auf der Gitarre.

  2. Maccabros
    27. September 2019

    Obwohl mir die rockigere Version von Frijid Pink besser gefällt… 😉🎸👍

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