David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Kiss & Wonschewski diskutieren die feministische Behauptung. Heute: „Gläserne Decken halten Frauen von Spitzenpositionen fern“.

Aus der Reihe:

„Was vom Feminismus übrig blieb – feministische Thesen auf dem Prüfstand“

Warum verstehen Männer bestimmte feministische Thesen nicht? Warum fühlen sie sich von ihnen bedroht oder sogar angegriffen? David, Semi-Feminist, selbstreflektierend aufgeschlossen, wünscht sich echte Antworten. Nikoletta, Feministin – was sonst – und null männerfeindlich, ist gern bereit, offen zu antworten.

Kurz, knackig, prägnant. Und gerne kann jede/jeder dazu kommentieren.

Nikoletta: Kurz, knackig, prägnant – David, das schaffen wir nie!

David: Ist egal, Nikoletta, der Wille zählt. Mein feministisches Bonmot für heute lautet:

„Gläserne Decken halten Frauen von Spitzenpositionen fern“. Und, ist das Bockmist oder total zutreffend?

Nikoletta: Das Bild von etwas Gläsernem, Stählernem, Konkretem, das Frauen von Spitzenpositionen fernhält, finde ich nicht ganz treffend. Ich glaube, es sind bestehende Strukturen und teilweise die Frauen selbst, die sich nicht aktiv genug in diese Position bringen.

David: Sehe ich fast genauso. Ich glaube nicht an diese „Decke“, es gibt aber sicher geschlechtsspezifische Hindernisse, die ihren konkreten Hintergrund haben. Womit ich wenig anfangen kann, sind diese so oft und gerne genannten „bestehenden Strukturen“. Das klingt immer so toll und semi-akademisch, aber was soll denn das heißen, was ist denn damit gemeint? Eigentlich heißt „bestehende Strukturen“ doch das gleiche, was auch „System“ und „Patriarchat“ heißen in derlei Zusammenhängen: Keine wirklichen Argumente, aber weiterhin das üble Gefühl, hier nach Strich und Faden vereimelt zu werden. „Gläserne Decke“ ist für mich ein typisches Verschwörungstheoretikerwort. Nimm‘ noch diese Idee mit den geheimen Männerbünden hinzu und es wird richtig dunkelcorona. Ich mache mich aber nicht darüber lustig, Impfgegner und GläserneDeckler versuchen ja lediglich ein Unbehagen zu kanalisieren, das konkret ist, für das es aber weder klare Argumente noch Worte gibt. Wie sehen denn deine eigenen Erfahrungen damit aus? Hast du dir je Beulen geholt auf deinem Weg ins Kanzleramt?

Nikoletta: Ganz so weit oben war ich nie, ich kann nur von meinen Erfahrungen aus meinem früheren Leben in der Transaktionsberatung bei einem der „Big Four“ Wirtschaftsprüfungsgesellschaften berichten. Zwischen Absolventen und Absolventinnen ist die Verteilung 50:50, darauf wird in diesen Unternehmen akribisch geachtet. Junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind vergleichbar top ausgebildet und arbeiten hart. Die Beförderung erfolgt zunächst relativ automatisch. Es ist ein „Up or Out“ Prinzip, wer bleibt, kommt weiter. Wenn es allerdings um Spitzenpositionen geht, sieht es anders aus. In meiner Zeit (bis 2016) gab es im Deal-Advisory-Bereich meiner Firma in Australien keine einzige Frau in einer Partner Position. Es sind im Grunde zwei wesentliche Faktoren, die dafür verantwortlich sind: Frauen kriegen Kinder, und die meisten haben nicht die nötige Ellenbogenmentalität.

Als ich nach zehn Monaten Babypause aus der Welt der Muttergruppen und schlaflosen Nächte zurückkehrte, war mein erster Tag im Büro, als wäre nichts geschehen. Es gab herzliche Begrüßungen, kurzes Fotogucken, dann tauchte ich in der Arbeit ab. Ich hatte in den Nächten zuvor, wie vor dem ersten Schultag, Zweifel ausgestanden, ob ich es noch leisten könnte. Doch es war alles wieder da, die Angst vorm “Baby Brain” völliger Quatsch. Von einer Beförderung konnte allerdings nicht die Rede sein. Wie ich Zweifel an mir selbst gehegt hatte, so musste ich mich vor meinen alten Vorgesetzten neu bewähren. Zehn Monate Babypause bedeutet das Jahr ohne Beförderung davor, die Zeit im Mutterschutz und das Jahr der Bewährung danach. So wird man abgehängt.

David: Lass‘ mich das nur kurz verstehen. Soweit ich weiß warst und bist du ja nicht alleinerziehend. Ich sage es mal bewusst ironisch-überspitzt: Du hast also damals zu deinem Mann gesagt, dass er zu Hause bleiben soll, es dir reicht, die Kinder sporadisch mal zu sehen, Karriere im Fokus. Denn was du beschreibst, ist alles gewiss richtig, im Jahre 2021 müssen wir aber auch über den hübschen Satz „gerade als Mutter“ nachdenken, wenn wir Dinge fair beleuchten wollen. Wenn eine junge Mutter sagt, dass ihr Platz zuvorderst bei ihren Kindern ist, kriegt sie meinen Applaus, ist aber aus dem Thema raus.

Nikoletta: Du wirst schockiert sein, David. Mein Mann war vollzeitbeschäftigt, das Kind nach 10 Monaten in der Kindergrippe, dort happy und liebevoll betreut. Das Kind ist inzwischen eine blühende Viertklässlerin und hat keine Schäden davon getragen. Jetzt erklärst du mich vermutlich trotzdem zur Unmutter des Jahres. Ich muss dazu sagen, ich finde es völlig legitim, wenn eine Frau mit ihrem Partner gemeinsam entscheidet, dass sie mehrere Jahre ihren Kindern widmen möchte. Ich wollte gern wieder arbeiten. Es ist in Australien auch nicht unüblich, weil bezahlter Mutterschutz sechs Monate umfasst. Aber ich gebe gern zu, ich war euphorisch, wieder arbeiten zu können. Ich sagte meinem Arbeitgeber, ich würde jeden Tag um 17 Uhr den Stift aus der Hand fallen lassen, um mein Kind abzuholen und freitags zu Hause bleiben. In der Beratung bei uns war das nie da gewesen. Wie auch, wenn mein Team bis abends um 22 Uhr dasitzt und arbeitet. Ich war halt ab 20 Uhr, nachdem das Kind eingeschlafen war, wieder online.

Kann der Mann das Kind nicht abholen?, erkundigten sich meine Vorgesetzten. Hat er auch! Wir haben uns heimlich beim Kindergarten getroffen, wir wollten ja beide Zeit mit unserer Tochter verbringen, aber hätte ich erzählt, dass er so flexibel ist, hätte ich keine Legitimation gehabt, früher zu gehen. So pervers ist die Welt. Mein Punkt ist, es müssen sich nicht die Männer ändern, zumindest nicht meiner, sondern die Unternehmen mit ihren familienfeindlichen Erwartungen. Es muss doch möglich sein, dass beide weiterarbeiten! Wir haben uns gegenseitig unterstützt, Kinder sind ja auch ständig krank, alleinerziehend hätte ich das vermutlich nicht geschafft.

David: Du, da bin ich kein Stück schockiert, im Gegenteil, wenn beide gemeinsam sich für ein Modell entscheiden, super. Mir ging es auch mehr darum, dass ich mich schwer damit tue „gläserne Decken“ zu sehen, wenn Frauen selbst an der Herstellung dieser beteiligt sind. Mich erinnert das an eine andere feministisch gerne verwurstete Statistik: die Zahl der Alleinerziehenden. Ich glaube 87 Prozent oder so sind Frauen. Die Zahl ist superwichtig, auch sich das anzuschauen, aufzufächern, rumhirnen was, warum. Sie zeigt für mich nur eines nicht: Frauenbenachteiligung. Ich meine, warum sind denn die Kinder bei den Frauen und nicht bei den Männern? Ich will die vielen säumigen Väter nicht in Schutz nehmen, aber wenn man Diskriminierung ehrlich erfassen und Unrecht beziffern will, kann man dafür doch nicht eine Zahl nehmen die für „es ging auch oder zuvorderst nach dem Willen der Frau“ steht. Wenn du mir sagst wie viele von den 87 Prozent ihr Kind sofort in den Haushalt der Ex-Männer geben würden, um voll auf Karriere zu gehen, dann wissen wir was über Diskriminierung. So aber wissen wir gar nichts.

Ich kann in dem Bereich nur auf recht viele Fälle aus meinem Leben und Bekanntenkreis verweisen, auch das hübsche Stichwort Teilzeit ist betroffen: Ein Mann oder Ex-Mann, der sich in Sachen Kind nach vorne drängelt, der sagt, ich übernehme, damit du da rumkarrierieren kannst – stirbt. Wag‘ es nicht dich zwischen mich und mein Kind zu stellen, Bastard. Ist im Übrigen keine Kritik, ich finde Frauen haben das Recht dazu. Ich bin allerdings auch selbst kein Vater, da lässt es sich einfach liberal daherquatschen.

Nikoletta: Da gebe ich dir recht, die meisten Frauen geben ihre Kinder nicht her, und Männer stoßen heute noch auf Diskriminierung, wenn sie die Karriere nicht über die Familie stellen.

Vor ein paar Jahren führte meine Firma in Australien drei Monate bezahlten Vaterschaftsurlaub ein. Ich habe erlebt wie Kollegen, die diese Auszeit in Anspruch nahmen, hinter ihrem Rücken von männlichen Kollegen und Vorgesetzten belächelt wurden. Das wird in Deutschland und Österreich mit Sicherheit nicht anders sein.

David: Stimmt, wobei ich da eher die Kerle in die Pflicht nehme. Für die gilt ja das Gleiche wie für Frauen – man kriegt eben nicht alles auf dem Silbertablett serviert, Mann muss mit durchs Stahlbad schwimmen.

Nikoletta: Na ja, und du fragtest nach Spitzenpositionen. Auf dem Weg dahin wird die Luft dünner. Wenn man es nach oben geschafft hat, geht es weniger um Leistung, sondern darum, wer die spitzesten Ellenbogen hat, sich am besten verkaufen kann und wer über die besten Netzwerke verfügt. Dies liegt nicht jeder Frau. Und das ist sicherlich auch ein Grund, warum du weniger Frauen in diesen Positionen findest.

Aber es ist keineswegs unmöglich, und ich muss dazu sagen, ich bin seit fünf Jahren raus und viel hat sich getan in der Branche in den letzten Jahren.

David: Ich selbst habe, obschon ich viele Jobs in vielen Branchen hatte, im Grunde keine Erfahrungen damit. Bedeutet, ich hatte viele weibliche Chefs, viele männliche, wurde selbst zum Chef befördert, hatte aber auch das Nachsehen woanders gegenüber einer Kollegin, die einen Job bekam. Gewiss ist das Kinderthema ein Grund, warum Frauen, je höher es geht, desto stärker in der Minderzahl sind. Aber nicht nur, ich weiß, dass Frauen vielfach ihre (noch) vernünftigere Lebensweise auf die Füße fällt. Überstunden werden hauptsächlich von Männern geleistet, weil die nur die Zusatz-Euronen sehen. Wenn du einem Kerl sagst, dass der Spitzenjob in 20 Stunden mehr Maloche die Woche mündet, dann sieht der da auch gesundheitlich kein Problem. Mir wurde schon oft gesagt, dass Frauen eher die grundgesunde Reißleine ziehen.

Für ein ziemliches Gerücht halte ich die oft genannten „Männerbünde“. Sind mir nie begegnet, kenne das auch nur aus Feministenmunde. Es gibt Vitamin B, klar, kennste wen, haste wen, ach, dein Bruder sucht einen Job? Da sind Frauen aber nicht von ausgenommen.

Nikoletta: Menschen bevorzugen Menschen, die ihnen ähnlich sind. Und sind weiße Typen aus der Privatschule XY in der Überzahl, stellen sie genau diese weißen Typen in der Überzahl ein. Und Männer sind in der Finanzbranche nun einmal in der Überzahl. Wie oft saß ich in Meetings mit zwanzig Kerlen am Tisch. Mein Chef begrüßte die Runde mit „Willkommen, meine Herren!“ Ich saß lächelnd daneben.

David: Mag sein, dass ich da einfach immer in den falschen – oder richtigen – Berufen war. Alles mächtig durchmischt in der Medien-, PR-, Musikszene. Mag an einer verbreiteteren Toleranz in diesen Bereichen liegen, aber auch an professionellen Notwendigkeiten. Du kannst es dir schlichtweg nicht leisten ohne Frauen, Homosexuelle und/oder PoCs (ha, Frau Sanyal hat mich überzeugt, ich sage das jetzt immer so!) zu arbeiten. Ich kenne im Übrigen einige Damen aus höheren Finanzkreisen. Die bestätigen deinen „Meeting“-Eindruck, berichten von einer gewissen dicken Haut, die es braucht, aber auch von Vorteilen in der Minderheit zu sein. Und soweit ich weiß tun sich Geschäftsführerinnen auch nicht damit hervor, bevorzugt Frauen einzustellen, was ein wenig gegen deine These spricht.

Aber schauen wir mal halbwegs objektiv. Wie kriegt man denn heraus, ob es eine „gläserne Decke“ gibt? Klar, man kann den Frauenanteil in Führungspositionen bemessen, wird ja auch gerne gemacht. Aber der sagt ja bestenfalls ein Drittel über eine „gläserne Decke“ aus. Für die weiteren zwei Drittel muss man schauen, was unter der vermeintlichen Decke abgeht und was abgeht auf der Trennlinie zwischen drüber und drunter. Erst wenn man das alles anschließend in Beziehung zueinander setzt, dann weiß man was über Decke oder nicht Decke. Und wenn man sich mal die Mühe macht, mehr Informationen heranzuziehen als den Frauenanteil in bestimmten Führungsebenen, dann gewinnt man tatsächlich interessante Einblicke. So zeigte z.B. eine im April 2018 veröffentlichte Auswertung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, dass Frauen in deutschen Unternehmen zwar 45 Prozent der Beschäftigten, aber nur rund 29 Prozent der Führungskräfte stellten. Durchaus unterrepräsentiert also, stimmt. Wenn man sich dann allerdings betrachtet, wie viele Frauen sich überhaupt auf eine Spitzenposition bewarben, zeigte sich ein Frauenanteil von 31,5 Prozent – was ihrem Anteil an den Führungspositionen sehr nahekam (Quelle: Spiegel Online, April 2018). Dass Frauen in ihren Versuchen an Spitzen zu gelangen zurückgehalten werden lässt sich zumindest statistisch nicht bestätigen, so betrachtet haben sie es sogar fast einfacher als Männer.

Ich selbst betrachte es allerdings nicht so, sage ich gleich dazu. Zahlenspiele sind wichtig, aber eben auch nur ein Teil der Realität. Und so kann man natürlich fragen, warum Frauen sich oftmals gar nicht erst bewerben. Auch da kann ja eine Form von „gläserner Decke“ vorherrschen. Da habe ich was Interessantes im Fundus: Für eine Studie in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KfZSS) wurde der Berufsweg von 1.780 männlichen und 2.466 weiblichen Hochschulabsolventen nach dem Verlassen der Universität verfolgt. Im Jahr 2007 waren 42% der männlichen Absolventen des Jahres 1997 und 23% der weiblichen Absolventen desselben Jahres in einer zumindest ansatzweise leitenden Funktion angekommen. Wie erklärte sich der Unterschied von 19 Prozentpunkten? Ganz einfach: Fortpflanzung sowie, wichtig, Studien- bzw. Berufswahl. Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen beispielsweise landen generell selten in Führungspositionen, es studieren aber viel mehr Frauen in dem Bereich als Männer, das drückt die Quote entsprechend.

Einen habe ich noch, auch wenn es nur die singuläre Meinung einer Karrierefrau ist, ha. Cornelia Koppetsch, Soziologin an der TU Darmstadt, hat in der FAZ mal ein Interview zu dem Thema gegeben. Ihr Urteil: Beim weiblichen Geschlecht steht der Trend zur Selbstverwirklichung im Vordergrund, während Männer die Erwerbsdimension im Blick haben. Von einer Angleichung der Geschlechter in der Rollenverteilung mag Koppetsch deshalb nicht sprechen. “Die Angleichung wird immer unterstellt, sie hat aber gar nicht stattgefunden”, erklärt sie und fügt hinzu: “Männer sind hier nicht die größten Widerständler.” Eher vermisse sie den echten Tatendrang der Frauen: “Viele kommen über Lippenbekenntnisse nicht hinaus. Sie sprechen von Vereinbarkeit, die sie sich wünschen; sie sagen dies aber nur, weil sie sich nicht trauen, Hausfrau zu sagen.” Noch immer sähen viele Frauen im Studium eine Art Überbrückung bis zur Heirat. Sagt sie.

Uff, lassen wir einfach mal so stehen, wenn Frauen über Frauen sprechen, muss ich mich da nicht einmischen….

Nikoletta: Da hole ich mal ganz tief Luft. Zunächst mal gebe ich dir recht, Frauen haben tendenziell mehr von Selbstverwirklichung, sind mehr interessiert an Anerkennung als an Gehalt und Titeln, sind insgesamt weniger wettbewerbsorientiert. Das behaupte ich nach Gefühl und aus Erfahrung. Und das ist sicherlich auch ein Grund, warum es weniger Frauen in Spitzenpositionen gibt.

Aber, was für eine Anmaßung zu sagen, Frauen hätten keinen Tatendrang, würden das Studium als eine Art Überbrückung zur Heirat sehen und wünschten sich insgeheim an den Herd! Und das von einer Frau! Ich kenne keine einzige „Überbrückerin“, aber wie viele junge Kolleginnen wollten von mir wissen, wie man unseren Beratungsjob mit Kindern vereinbaren kann.

David: Das mit dem „Überbrücken“ finde ich auch dämlich, keine Sorge, da bin ich bei dir. Vielleicht wollte Sie eher sagen, dass eine Frau laut Lippenbekenntnis heutzutage alles sein und alles werden kann, wenn sie es will – und damit weit freier ist als die meisten Männer, die diese Option noch nicht so haben, sie aber haben könnten, wenn Frauen ihnen etwas entgegenkämen.

Nikoletta: Das hat sie zwar so nicht gesagt, aber es ist ein schöner Satz von dir, den ich unterstütze. Einer meiner Vorgesetzten stellte sich mal vor mein Cubicle, da war ich etwas über 30 und fragte mich, ob ich denn nicht auch bald Kinder wöllte, da müsste ich ja langsam anfangen. Und als ich zurückfragte, wie das mit dem Job zu vereinbaren wäre, schaute er mich an, überlegte und sagte: Gar nicht. Und er ging. Seine Frau hat ihren Job aufgegeben, als die Kids in die betreuungsintensive Privatschule kamen.

David: Wie empfandest du das? Also auch vom Typ her? War er interessiert und wollte einfach schauen, was er zu erwarten hat? Oder wollte er sexistisch den Pracher raushängen lassen? Man kann ihm ja auch eine faire Frage unterstellen (auch wenn die Frage nicht ohne Grund seit geraumer Zeit nicht mehr statthaft ist).

Nikoletta: Du hast recht, es kommt immer darauf an, von wem so eine Frage kommt. In diesem Fall kam sie von einem Macho alter Schule, der seine langjährige Assistentin, die seit 20 Jahren für ihn arbeitete und mit 40 Jahren ihr erstes Kind bekam, ersetzte, weil er sie in Teilzeit nicht mehr gebrauchen konnte.

Wie gesagt, es hat sich viel verändert in den letzten Jahren, solche Männer werden immer seltener in Führungspositionen. Ich denke, solange Männer nicht den gleichen Anteil an Kinderbetreuung übernehmen (und ja, übernehmen dürfen!), bevor sich die Unternehmenskultur und die Gepflogenheiten der Finanzbranche nicht ändern, werden Frauen weiterhin oft freiwillig ausscheiden, weil den meisten eben Familie wichtig ist.

2 Kommentare zu “Kiss & Wonschewski diskutieren die feministische Behauptung. Heute: „Gläserne Decken halten Frauen von Spitzenpositionen fern“.

  1. uepsilonniks
    17. September 2021

    Danke. Viele gute Argumente, die die geringere Repräsentanz von Frauen ganz ohne Diskriminierung erklären.

    Eins noch: Gutverdienende Frauen haben die Möglichkeit zum Rollentausch – da finden sich genug Männer, die gerne zu Hause bleiben. Das ist aber nicht gewollt. Keine will ihr Leben lang in Übervollzeit malochen gehen und dann den Löwenanteil ihres Lebenseinkommen an Mann und Kinder abtreten.

    Weitere Argumente (schamlose Eigenwerbung) und eine Überraschung: Die Nachfrage nach Führungsfrauen von Seiten der Unternehmen ist größer als das Angebot.

  2. Fatherleft
    17. September 2021

    Tolles Interview, welches zeigt, dass Kooperation von Männern oder Männerrechtlern mit Feministinnen nicht am Begriff Feminismus scheitert, sondern an dem was viele heute daraus machen. Mit Feministinnen wie Nikoletta kann man sicher gut an der Gleichberechtigung arbeiten. Ist halt keine Einbahnstraße.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 12. Oktober 2021 von in Kiss & Wonschewski und getaggt mit , , , , , , .
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