David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

Romanvertrag unterschrieben. Oder: Keine neue Liebe ist wie kein neues Leben.

Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Sang Jürgen Marcus, 1972 war es. Mag ja sein, das mit der Liebe. Ich verstehe nur nicht warum er es so hochgepuscht hat als wäre das eine grandiose moralische Erkenntnis. Anleitung zur triebgesteuerten Wechselhaftigkeit im Gewand freiheitlicher Eigenermächtigung ist es doch eher. Gute Frage: Gibt es eigentlich keine Lieder zu den alten Besen, die gut kehren, den ausgetretenen Pfaden, die ja nun nicht grundlos so ausgetreten sind? Mein Name ist David, ich bin mittlerweile Mitte 40 und gerate zunehmend konservativ. Zurecht, wie das Foto bezeugt. Wieder Periplaneta. Offenbar meine wertkonservative CDU. Ich will nicht so tun als hätte ich zig Optionen gehabt, nicht einmal Bestsellerautoren haben das. Aber ich hatte welche. Und landstrandete für meine fünfte Publikation erneut eben bei Periplaneta. Dem – DEM – Underground- und Independentverlag aus Berlin, kinderlieb und gothicversessen zugleich. Leicht war die Entscheidung nicht. Schön, richtig schön, emotional beglückend durchaus. Ich habe vor einiger Zeit mal den Briefwechsel meines Heroen Thomas Bernhard mit dem Suhrkamp-Unseld gelesen. So anders ist mein Verhältnis zu Marion und Tom von Periplaneta auch nicht. Truffaut würde sagen: Sie küssten und sie schlugen sich.

Ja, ich hatte Optionen. Das erwähne ich aber nicht wiederholt, um mich als „geile Literatensau“ zu etablieren (geile Literatensäue erkennt man eh daran, dass sie keinen Blog, Facebook- oder Instagram-Account und Posts wie dieses nötig haben). Sondern um mit meinen bescheidenen Mitteln ein Zeichen zu setzen. Ich komme professionell ja aus der Musikbranche. Mein übernächster Roman wird in der linksagitatorischen  Punkbranche  spielen ( ich wäre auch längst fertig damit, wenn mir nicht dauernd die kapitalismuskritischen Beleidigungen die Dialoge zerfetzen würden) – als Musikprofessioneller denke ich aber mit dem Alter zunehmend an Prince. Nicht nur, weil sein verpoppter Funk so unfassbar geil ist und die einzige Form von Sex, die ich für Musik als passend empfinde. Sondern weil er ja diese Symbol-Tafkap-Slave-Phase hatte. Sich ausgebeutet fühlte von der Musikindustrie, die ihn melkte. Machen wir uns nichts vor, ich bin – kapitalistisch gesehen – nicht erfolgreich genug, um gemelkt zu werden. Frage mich aber manchmal wie das wohl ist so erfolgreich zu sein. Offenbar nicht sonderlich gut, same old story often told. Ich würde lügen, hätte ich nicht auch ab und an den Traum mit meinem neuen Buch bei Markus Lanz zu hocken und mich „wie ein Großer“ von ihm zwölfmal binnen drei Sätzen unterbrechen zu lassen. Ihn dann zu fragen, ob er denn sein „ich habe eine große Samstagabendshow vergurkt und gelte seit jeher als Schwiegermamaschwarm“- Trauma nicht so langsam mal überwunden hat. Woraufhin Lanz zu mir sagen würde: „Warum sollte ich, Sie schreiben ja auch weiterhin Bücher und im Übrigen aus dem gleichen Grund!“. Gut, eine Samstagabendshow musste ich nie moderieren, der Rest stimmt aber. Bis Mitte 20 war ich geradezu verschrien dafür so ein netter ruhiger Mann zu sein. Zuverlässig, ungefährlich. Teils bis heute. Manchmal spreche ich nachts am Bahnhof eine Frau an, um nach dem Weg zu fragen. Und die olle Ziege zuckt nicht einmal, schaut kein Stück panisch aus der Wäsche, gibt freundlich Auskunft. Und ich denk mir: Was soll das denn jetzt? Kannst du mal bitte angemessen ängstlich sein?

Klappt aber nicht. Ich habe wohl den Lanz im Gesicht. Ich muss erst zwanzigfach auskreisen, damit man mir glaubt, dass ich nicht ganz knusper bin. Anstrengend. So und nun der thematische Bogen, zurück zum Anfang. Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben ist sowas von Gurke. Ich will keine neue Liebe, ich will die alte und will wissen wie sie funktioniert. Und wenn sich nichts reparieren lässt will ich manchmal wissen warum gerade die Frauen, die ich doch irgendwann mal für das nahezu Höchste hielt, mich so ent-lanzt haben. Die meisten erklären es dann ganz gut, in irgendwas – hüstel – müssen Frauen ja nun besser sein. Die Erklärungen, eben weil sie zumeist relativ weise sind und der Geschlechterdialog besser funktioniert als wir immer behaupten, landen dann verfremdet in meinem aktuellen Punk-Romanmanuskript. Nichts kann einem Mann so sehr die Schuhe ausziehen wie eine Frauenmeinung. Seit jeher mein Rat an alle Feministinnen, die sich in den blöden Niederungen der Gendersprache verheddern. Was Frauen nicht wollen, nicht fördern, nicht goutieren – findet nicht statt. Die meisten üblen maskulinen Machenschaften gibt es, weil relativ viele Frauen irgendwie positiv darauf reagieren. Neben dem „-manchmal möchte ich ne Bombe sein und einfach explodieren“-Lanzismus ist das mein zweiter Grund Romane zu schreiben. Frauen finden das toll. 90 Prozent der von Männern produzierten Kultur entstehen darum, deswegen. Das ist der wirkliche Unterschied in der Kultur, Frauen streben in der Kultur nach Eigenständigkeit und Abgrenzung von Männern, Männer nach Akzeptanz bei Frauen undoder mehr. Neulich schrieb mir eine weibliche Leserin meines Romans „Schwarzer Frost“, dass sie das Buch zu Ende „geschafft“ habe und sie mich abgesehen von dem Wunsch mich zu erschlagen und die Welt von mir zu befreien, höchst interessant findet. Manchmal denke ich, dass ich genau deswegen auch Frauen finde, die sich mit mir verpartnern, mich lieben.

Mit dem Verlag ist es letztlich genauso, auch eine Beziehung. Marion und Tom von Periplaneta sind – naja gut, Marion nicht, eher Tom – so schwierig wie ich. Nicht als Verleger, jede Schreiberin, die denkt sie sei „anders“, sei es explizit empfohlen sich dort zu bewerben mit Manuskript. Von Marion stammt der denkwürdige Satz, dass Verlegerarbeit relativ nah an psychotherapeutischer Profession liege. Der „bad cop“ Tom füllt das dann gerne mal mit Leben. Tom ist die Art von Positivfreak, die dich in einem 30-Minutenmonolog über Kunst, Kultur und Gesellschaft aufklärt. Marion ist die Chefin, die derweil daneben sitzt und dich beobachtet, während du dir das alles anhörst. Das ist gleichermaßen hart wie super. Weil es prägt. Abgesehen von „warum kommt manche Musik ins Radio, andere nicht“, wo ich mich definitiv besser und bestens auskenne, haben diese Monologe was von Aufbruch. Tom ist ein Gothic, der weiß, wo die Sonne aufgehen könnte. Ein Reinenweineingießer, während Marion schaut, ob ich nicht auch eigenen Wein mitgebracht habe.

Ja, ich habe mich erneut für Periplaneta entschieden. Ob es die beste Wahl war, weiß ich nicht, es ist aber die, die sich am besten anfühlt. Unsere Verbindung jährt sich 2022 zum zehnten Mal. Und das so truffaut-mäßig, dass ich das echt nicht missen will. Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben? Ja, aber eben auch Plastik. Periplaneta küsstschlägt mich seit zehn Jahren wie das sonst nur die Frau, die ich fand und liebe vollbringt. Ich muss mich nie wie Prince fühlen, klar hat Independentliteratur einige Sumpflöcher, aber ich bin ich bin ich bin ich. Ich kenne einige Autor*innen die bei großen Publikumsverlagen veröffentlichen, in jeder Bahnhofsbuchhandlung liegen. Es wäre gelogen zu behaupten, die seien glücklicher als ich.

Ein Kommentar zu “Romanvertrag unterschrieben. Oder: Keine neue Liebe ist wie kein neues Leben.

  1. birgitschoenau
    9. Juni 2021

    Glückwunsch! Auch zur Entscheidung, Indie zu bleiben. Denn der letzte Satz gilt.

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Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 12. Juli 2021 von in Nachrichten.

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