Ja, aber natürlich war das irgendwie klar, dass eine ausgemachte Weltuntergangs-Combo wie Killing Joke es sich nicht nehmen lassen würde, all den düsteren Zerwürfnissen des Maya-Kalenders Rechnung zu tragen und ein ganzes Album zum Jahr 2012 – in gutem alten Latein: MMXII – vom Stapel zu lassen. Und natürlich war es ebenso abzusehen, dass sich allen voran Frontmann Jaz Coleman in all seiner Theatralik derart besessen diesem Sujet widmen würde, dass das begleitende visuelle Ergebnis (Covergestaltung, Promo-Bilder, Videoclips) erneut irgendwo zwischen genial und albern anzusiedeln ist.
Als wesentlich überraschender erweist sich dafür denn doch die Tatsache, dass Killing Joke die weltweit einzige Altherren-Rockband sein dürften, die ausgehend von der Reunion ihrer Gründungsformation im Jahre 2003 nur noch zu musikalischen Großtaten fähig zu sein scheint. Bereits das 2010er Album „Absolute Dissent“ hatte selbst bei Fans für ungläubiges Augen- und Ohrenreiben gesorgt, hatte sich die metallisch veranlagte Post-Punkband dort doch bereits auf der künstlerischen Spitze ihres dunklen Schaffens gezeigt, versehen mit einem Biss, einer Prägnanz und einer „Erfahrung schafft Qualität“-Attitüde, wie wir sie uns von anderen Rock-Dinosauriern einige Male zu oft vergeblich gewünscht haben. Und „MMXII“, es lässt sich nicht anders sagen, hält diesen Standard auch im Jahre 2012 nicht nur weiter aufrecht, sondern erweitert ihn sogar noch um diverse Nuancen. Sicherlich, wie schon seit ihrem selbstbetitelten Debütalbum im Jahr 1980 – und auf sämtlichen, inzwischen 14 nachfolgenden Alben auch – kann sich der begeisterte Hörer noch immer mit einigem Recht fragen, warum nicht irgendein Produzent den Gesang oder auch das Geschrei von Coleman nicht bitte endlich einmal gescheit, ergo weniger blechern und hallend, abmischen mag. Ist man jedoch geneigt diese ganz offensichtlich bewusst eingesetzte Unzulänglichkeit als „Trademark-Sound“ zu akzeptieren, sprengt „MMXII“ ganz wunderbar alles weg, was sich oberhalb unserer Halsknorpel befindet. Stilistisch ist der Longplayer dabei durchaus zu einem klanglichen „Best Of“ geraten, finden sich hier zwar – natürlich – nur neue Stücke, dafür jedoch aus so ziemlich jeder bisherigen Bandphase. Poppige Strukturen wie auf dem kommerziell erfolgreichsten Album „Night Time“ (1985) treffen auf Noise- und Industrial-Attacken, wie sie vor allem Mitte der 90er Jahre auf „Pandemonium“ auf die Fans losgelassen wurden. Auch steinharte Wutexzesse, mittel experimenteller Avantgarde-Lust durch den Post-Punkwolf gedreht, verweben sich dank ausschweifender Repititionsgelage immer wieder mit hypnotisch-erhabenen Momenten. Vor allem „Trance“ – der Titel ist hier wahrlich passend gewählt – weiß diesbezüglich zu begeistern, während die erste Singleauskopplung „In Cythera“ oder aber auch der sich langsam einfädelnde Opener „Pole Shift“ gerade durch ihr Bekenntnis zur Langsamkeit einen für Killing Joke eher untypischen und daher neuen Reiz aussenden. Überhaupt fällt auf, wie wandelbar Coleman seine Stimme mit steigendem Alter einzusetzen vermag, klingt er auf „In Cythera“ noch geradezu sanft und fast schon zerbrechlich, haut er mit Hilfe der gewohnt brutal-unbarmherzigen Einwürfe seines Leadgitarristen Geordie Walker mit „Colony Collapse“ und „Corporate Elect“ Stücke aus dem Halfter, die haarscharf an der Grenze zum Guttural-Gesang des Death Metal entlangstampfen.
Zukunftsangst, Resignation und bleierne Schwere – Killing Joke dürfte mit „MMXII“ tatsächlich der Soundtrack des Jahres 2012 gelungen sein. So erschütternd und unschön das auch ist.