von David Wonschewski
Tja, wie schnell man doch wird wie sein eigener Vater. Ich erinnere mich noch, wie ich mit meinem eben diesem in den mittleren 90er-Jahren im Auto saß und er zum x-ten Mal seine Stones-Kassette abspielte. Und ich mich fragte, wie das sein kann, dass ein Musikfreund so dermaßen auf der Stelle tritt. Nichts gegen die Stones, Legendenstatus vollauf berechtigt, aber mein Vater ist irgendwie nie so richtig übers Jahr 1980 herausgekommen, ich glaube nach “Start Me Up” war irgendwie vorbei mit “mit der Zeit gehen”.
Nun, 2021, weiß ich selbst, wie das ist. Ich habe es immerhin noch bis 2005 geschafft, als es jene berühmte “Class of 2005” gab: Bloc Party, Interpol, Libertines, Editors und eben Maxïmo Park. Ich verfolge zwar schon noch genau, was Woche für Woche veröffentlicht wird und höre auch rein, aber die Verbundenheit, die was von “zementiert” hat, ist nicht zu leugnen. Von den besagten Bands, soweit sie noch veröffentlichen, kaufe ich noch immer, alles, auch ohne vorher reinzuhören. Ist halt ein Gefühl von “ach, weiß du noch, damals – als Britannien lichterloh brannte” (prangte damals ganz pittoresk als Schlagzeile auf einer Musikzeitschrift)? Dass ich irgendwann alt werde, das war mir immer bewusst – dass es sich gar nicht so mies anfühlt, fast sogar gut, dass sich die eigene zunehmende Unbeweglichkeit auch als Würde und Stolz glorifizieren lassen, mannomann, wer hätte das gedacht.
Vier Jahre sind seit dem letzten Maxïmo Park-Album durch Europa gezogen, ein Bandmitglied ist ausgeschieden, das ehemalige Quintett fungiert und funktioniert nunmehr nur noch als Trio. “Nature Always Wins” heißt das neue Werk und Maxïmo Park zeigen darauf, dass sie kein Stück an Qualität eingebüßt haben, nur ihr Stil eben nicht mehr der allerhotteste ist, ihre mitunter elegante, vielleicht sogar hier und da glatte Handhabe von Post Punk längst abgelöst wurde vom pubkompatiblen Rüpelsound à la Idles. Sänger, Texter und Bücherwurm Paul Smith haut seine introspektiven Literaturismen wie immer im allerherrlichsten Stakkato-Stil heraus und wirkt dabei mehr denn je wie ein Mann im Kung Fu-Kurs. Die Vorabsingle “All Of Me” hat eine Synthie-Hook, die auch die Killers anno 2005 mit Kusshand genommen hätten, derweil der Opener “Party Of My Making” ein epischer Bombastsong geworden ist, in dem sich der charismatische Melonenträger mit dem niemals alternden Thema des würdevollen Alterns beschäftigt: “As you can clearly see, I’ve lost some luminosity”, singt er hier und kann das sicherlich nicht nur auf sich selbst, sondern auch seine Band beziehen, die schon vor Jahren aus den ganz großen Hallen zurück in die kleineren Clubs ziehen durftmusste. Nun, als es noch Livekonzerte gab. “Meeting Up” ist so ein Lied, dass Maxïmo Park zum ungestümen Beginn ihrer Karriere noch nicht auf CD gebannt, ja gar nicht auf die Reihe bekommen hätten, da es dafür offensichtlich eine Form von mentaler Beruhigung, eventuell auch Weisheit oder eben schlichtweg Altern braucht. Ein dräuender Synthie-Song, der auch gut auf das Album “Too Much Information” gepasst hätte und der so weit von Depeche Mode gar nicht einmal weg ist.
Als absolutes Highlight erweist sich das klangbrutale “Why must a building burn”, das inspiriert wurde von den üblen TV-Bildern des brennenden Grenfell Tower 2017. Maxïmo Park klagen hier jene Mächtigen an, die immer erst abwarten, ob oder bis etwas Tragisches passiert, bevor sie ihrer Verantwortung gerecht werden.
Dass Maxïmo Park noch wahnsinnig viele neue Fans gewinnen werden, das glaube ich nicht. Aber die alten zeigen sich hocherfreut. Die fünf Sterne, die ich diesem Album gebe, die haben auch was mit meiner eigenen Vergangenheit, meiner Nostalgie zu tun. Nüchtern betrachtet ist das Album ein Dreier oder Vierer. Aber wer ist schon jemals nüchtern? Jetzt das Ding noch auf Kassette kriegen, schnell einen Sohn zeugen – und dann ab ins Auto damit.