Kennt ihr noch Jürgen von Manger? Ich habe mich immer gefragt, warum der so eine olle Fresse zieht. Und erkenne jetzt, dass es da wohl so eine mathematische Gleichung für in die Jahre kommende Männer gibt: je älter, desto Monokel.
Klar, man kann heuer jedes Bild easy bearbeiten, machen ja auch viele, sogar – und gerade – deutlich jüngere Menschen. Ich stand auch kurz davor. Entsann mich dann aber all der moralischen Floskeln – “live your life”…”no matter what they say, be what u are”… – die ich unter das Bild hauen möchte, um ordentlich Likeylikes und Klickeyklicks (ich ahne: Niemand, der hip ist, verwendet solche Worte) zu, ehm, collecten. Naja und schon passt das nicht mehr. Also Monokel-Faltenauge. Verbunden mit der Berechtigung nun so richtig vom Sockel herab zu klugscheißern. Wie aufrichtiges “being” denn nun zu sein habe.
Achso, das Buch. “Je tiefer das Wasser” von Katya Alpekina, frische 2020er Ware. Soll wohl recht dunkel sein, depressiv, Frauenberichte vom Rand der Emotionalhölle. Oder so. Kann ich halt noch nicht beurteilen. Warum ich das lese? Weil ich mir richtiggehend aufgetragen habe, jährlich 5-10 Neuerscheinungen aus weiblicher Feder zu lesen. Und da mich halt dunkel-emotionale Themen anziehen, habe ich zugegriffen.
Warum ich mir so etwas “auftrage” ? Nun, aktuell gibt es ja diese Polizeirassismuswelle. Davor war Corona. Und davor, die Älteren erinnern sich, gab es mal kurz dieses “unterstützt Frauen”-Ding. Es wurde alles ausgewertet und man stellte fest, nur 2 von 10 Songs im Radio sind von Frauen, 7 von 10 Büchern in den Belletristik-Top Ten sind von Männern etc. Hört/lest Frauen! Und so.
Naja, und irgendwie gab es diese Tendenz, dass alles in meine Richtung schaut. Als wäre es ausgemacht, dass ich es verbockt habe. Und es stimmt ja: Ich lese in erster Linie Bücher von weißen Kerlen aus Industrienationen, höre auch zuvorderst deren Musik. Ich habe 9000 CDs, keine 100 davon sind von Frauen. Bei Büchern ist das nicht anders.
Ist das komisch? Nein. Ich suche in der Musik und Literatur nach Tipps für mich. So. Die kann mir aber niemand geben, derdie von ganzwoanders kommt, derdie meine Sicht null kennt.
Ist das dann aber zumindest ein Problem? Vielleicht. Ganz sicher aber ist es ein Problem, dass viele mir bekannte Frauen nicht so viel anders unterwegs sind. Warum ich alte weiße Männer-Kunst favorisiere trägt eine gewisse Logik in sich. Warum noch immer so viele Frauen das ebenso tun, das hat sich mir aber nie erschlossen. Ja, es gibt Ausnahmen, es sind aber eben Ausnahmen. Ich kenne das ja auch aus der analytischen Mediensicht. Als ich noch Playlists für Radiosender bestückte, gab es eine Regel: nur ein von einer Frau gesungener Song pro halbe Stunde! Sexismus von oben? Nein. Im Gegenteil. Es sind die weiblichen Hörer, die einem den Laden kurz und klein bashen, wenn zu viel Frau im Programm ist. Ich habe das oft und immer wiederkehrend erlebt. Und ja, es ist alles belegt, Medien untersuchen das dauernd und kratzen sich die Köpfe. Frauen haben ein Problem mit Frauen. Es gibt eine spannende Umkehr bei den ganz Kleinen, was in den 90ern die BoyBands waren, also Kerle, sind jetzt weibliche Role Models. Ab einem gewissen Alter geht das aber auch wieder weg. Bekanntlich ist der “Pussy Grabber”-Trump letztlich genau deswegen Präsident geworden. Und nicht Hilary. Tut mir leid, ist das gleiche Muster.
Also? Ich trage mir auf, Romane von Frauen zu lesen. Wie eine Hausaufgabe. Wäre doch schön, wenn die wirkliche Zielgruppe, die, die es sich doch nicht auftragen müsste, das auch tut. Gilt auch für Wahlen, Bundestag etc. Ich mache das, weil ich versuch,e dieser Bubble zu entkommen. Darum lese ich ja auch weiterhin SPIEGEL Online, obschon ich dauernd lachen muss, weil die so ideologisch mies geworden sind. Bin nach 3 Jahren mich ärgern zur NZZ gewechselt. Lasse mir ergo lieber von Schweizern Deutschland erklären.