David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

Malen nach Zahlen. Wenn öffentlich-rechtlicher Rundfunk sich selbst formatiert.

von David Wonschewski

Da hat der Rundfunkverbund doch dieser Tage die Ergebnisse einer ARD-internen Studie veröffentlicht. Demnach wählen über 90 Prozent des journalistischen Nachwuchses Grüne, Linke, vereinzelt noch SPD. So okay ich das subjektiv finde, so sehr sehne ich mich objektiv danach, aus dem Munde eines Offiziellen ein Wort des sofortigen Gegensteuerns zu vernehmen, ein simples Bedauern tut es auch. Da ich dementsprechend leider nicht fündig wurde, werte ich das mal als Bekenntnis zu genau dem, was es dereinst doch zu verhindern galt: ebenfalls Formatradio zu werden, verbalen Dudelfunk zu betreiben, Einheitsbrei zu fördern. Ich bin selbst 15 Jahre lang Radiomacher gewesen, war einer von den „bösen Privatfunkern“, jenen, die verabscheuungswürdiges Malen nach Zahlen betreiben. Habe ich mich immer ein wenig für geschämt, erst jetzt, all die Jahre später, bin ich ein wenig stolz darauf. Denn Privatfunker stehen immerhin dazu, dass bei ihnen betriebswirtschaftliche Erwägungen stets über kulturell-künstlerischen Erfordenrissen stehen. Da weiß man immerhin, woran man ist.

Bei der ARD hingegen scheint sich nunmehr das zu bewahrheiten, was uns schon unser Umgang mit dem Teufel lehrt: Diejenigen, die den Teufel am heftigsten bekämpfen, werden dabei selbst teuflischer als der Teufel je gewesen ist. Und diejenigen, die am heftigsten für Toleranz, Vielfalt und Diversität kämpfen, asphaltieren die dunkelste aller Einbahnstraßen.

Naja, man muss es mit Humor nehmen. Auf die entsprechenden Hookpromos freue ich mich schon jetzt: „das BESTE aus der einen Richtung…..das BESTE aus der nochmal gleichen Richtung…PLUS das Beste von dem, was wir schon immer sagen und nicht oft genug von uns selbst hören können…jetzt, auf Radio xy…die größte Vielfalt, die meiste Abwechslung“.

Nein, im ernst, vermutlich ist das so ein wenig die Gegenseite des Polizei- und Soldatenberufs. So wie diese ihr rechtskonservatives Problem auch deswegen haben, eben weil jeder halbwegs linke Jugendliche einen solchen Job weiträumig umfährt, sich zuvorderst der immergleiche Typus dort tummelt, fühlen sich junge CDU- und FDP-Wähler in den den öffentlich-rechtlichen Medien selten richtig willkommen. Vielleicht liegt die Antwort auch bereits in der Begriffsdefinition von „konservativ“. Wer Polizist oder Soldat wird, hat das Verlangen zu bewahren, zu schützen. Journalist wird man eher, weil man etwas verändern, den status quo bekämpfen will.

Bevor sich nun jemand an genau der falschen Stelle aufregt: Wir haben gute öffentlich-rechtliche Medien und Fake News werden dort auch nicht verbreitet. Kein Stück. Eine einseitige Tendenz, welche Themen nach oben kommen und wie Schlagzeilen formuliert werden, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Wie gut, dass Corona ist. Da sind das alles nur noch: Luxusprobleme.

3 Kommentare zu “Malen nach Zahlen. Wenn öffentlich-rechtlicher Rundfunk sich selbst formatiert.

  1. davidwonschewski
    3. Januar 2021

    Hey -besten Dank für deine Rückmeldung!
    Na, was ich damit meinte ist, das Formatradio – also „Malen nach Zahlen“ – bedeutet, dass die Agenda steht und erst dann geschaut wird wie man die Inhalte so aufbereitet, dass sie zur Agenda passen. Das man so herum vorgeht, das hat seinen guten betriebswirtschaftlichen Grund, denn es gibt eine vordefinierte Zielgruppe und die hat eine Erwartungshaltung. Beim Oldie-Dudelfunk sah das so aus, dass ich immer die gleichen 3 Songs von Rod Stewart gespielt habe, weil ich da wusste, da schreien alle „Juhu“. Bei weiteren, anderen Rod Stewart Songs wäre das schon nur noch eingeschränkt der Fall gewesen usw. Die Zielgruppe hätte sich geärgert, weggeschaltet, weniger Hörer, fallende Werbeeinnahmen bla.
    Gibt es auch in anderen medien. Eine Schlagzeile wie blöd Trump ist und wie durchtrieben Putin zieht hierzulande einfach, auch wie schwer es Frauen haben und wie privilegiert Männer. Darum werden sogar abstuse Verrenkungen vorgenommen, um Nachrichtenmeldungen entsprechend anzupassen, damit sie dazu passen, weil: wird geklickt, geteilt, juhu. Ein bericht, der zeigt, dass Trump zurecht fast wiedergewählt worden wäre, dass Russen die Putin glorifizieren nicht nur doof sind und z.B. Väter nicht nur aus Egoismus ihren Ex-frauen den unterhalt verweigern, tja, schwierig hierzulande. Wollen wenige lesen, hören. Wäre ich Chefredakteur beim Spiegel online würde ich derartige Sachen auch möglichst klein machen. Man will ja Klicks und verbreitung und Leser und Stammleser, die sich bestätigt fühlen. Und braucht es auch.

  2. poetrywolverine
    3. Januar 2021

    Danke für diesen Beitrag.
    Ich kann deine Sichtweise nachvollziehen, auch das Beispiel mit der Bundeswehr leuchtet ein. Nur den Sprung von „links-grüner Nachwuchs bei den öffentlich-rechtlichen Medien“ zu der Thematik betriebswirtschaftliche Erwägungen verstehe ich nicht so ganz. Ich kenne mich in der Medienlandschaft auch nicht so gut aus.

    Mich würden außerdem Beispiele für die Tendenzen interessieren. Ich sage das nicht, um zu kritisieren, sondern weil mir das nicht sonderlich aufgefallen ist bisher. Da muss ich mich wahrscheinlich nochmal mehr reflektieren.

    Danke und viele Grüße!
    Wolverine

  3. Veronika
    18. November 2020

    „Und diejenigen, die am heftigsten für Toleranz, Vielfalt und Diversität kämpfen, asphaltieren die dunkelste aller Einbahnstraßen.

    Naja, man muss es mit Humor nehmen.“ das nehme ich mit. 🙂
    Leider wahrscheinlich keine Luxusprobleme.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 31. Dezember 2020 von in Nachrichten und getaggt mit , , , , , , , , , .

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