In der Kriminalistik gibt es diese Tätersehnsucht nach dem perfekten Verbrechen. Gibt es in ähnlicher Form auch in der Musik. Die Suche nach dem perfekten Popsong. Ja, schon klar, perfekt ist alles von Lennon/McCartney, alles von Richards/Jagger. Deckel drauf, Thema beendet. Für mich gehört zum perfekten Song aber auch, dass er irgendwie abgekoppelt von der jeweiligen Hype-Band, dem Star, aber auch unabhängig vom Zeitgeist funktionieren muss. Kürzen wir es ab: Wenn ich derart poprockmusikalisch nach Superlativen stochernd vor mich hin sinniere, lande ich meist bei Billy Joel. Natürlich auch ein Weltstar, klar. Aber einer, der komplett hinter seinen Liedern verschwindet, wie ich finde. Ich weiß noch, wie ich in den 90er-Jahren, also arg verspätet, zum ersten Mal den Videoclip zu “Uptown Girl” sah und auch den Song zum ersten Male wahrnahm. Gedanke eins war noch despektierlich: Wie arm ist das denn derart hemmungslos einen auf John Travolta und Grease zu machen? Knapp zwei Minuten später dann aber Gedanke zwei: Besser kann ein Popsong einfach nicht sein. In dem Lied geht es um einen armen Schlucker, der sich in ein Mädchen aus der besseren Gegend der Stadt verliebt. Der Song funktioniert auch, weil so ziemlich Kerl sich in der Rolle des Sängers wiederfinden kann. Was automatisch die Frage aufwirft, was der damals schon weltberühmte Billy Joel sich eigentlich in unsere Lebenslumpen werfen musste. Vermutlich fühlte er sich beim Blick in den Spiegel tatsächlich wie der hinterletzte Obernormalo, denn als er anfing “Uptown Girl” zu schreiben, da datete er das australische Supermodel Elle McPherson. Und als Monate später fertig war mit dem Stück, datete er das amerikanische Fotomodell Christie Brinkley. Eigentlich eine richtige Runterzieh-Info, reicher Rockstar lechzt nach nicht minder reichen Mega-Beauties. Wie romantisch. Aber Vorsicht ist geboten! Der Song hieß bis kurz vor Plattenpressung noch “Uptown Girls”, stand also im Plural. Und Billy Joel stand der Sinn danach, den Schwerpunkt darauf zu legen, dass er eben kein Obernormalo mehr ist, sondern ein in die Jahre kommender Rockstar, der wie alle in die Jahre kommenden Rockstars immer wieder auf Models hereinfällt. Hätte sich aber eben kein Obernormalo drin wiedergefunden. Und Sarkasmus in Songs zu transportieren ist fast so schwer, wie ihn in Mails rüberzubringen. Oder gar Blogpostings.
Achso, Kalenderblatt: Am 05. November 1983 ging das fulminante Wunderstück auf Platz 1 in Großbritannien. In Alemannien reichte es nur zu Platz 18. Aber diese Schande wetzten wir ja 2001 aus, als die Boyband Westlife den Song mit Claudia Schiffer im Video coverte, Platz 8 schaffte. Jaha, im Herstellen von Würde waren wir schon immer ganz groß.
Sonst war nicht viel an einem 05. November. 1956 startete die “Nat King Cole Show” im US-amerikanischen TV. Ist von daher von Belang, da es die erste TV-Sendung mit einem afroamerikanischen Gastgeber war. Man teilte mir zwar im Laufe des Jahres 2020 mehrfach medienwirksam mit, wir seien seitdem als Zivilgesellschaft kein Stück weiter, das ist aber Quatsch. Natürlich sind wir weiter.
Oh, 05. November 1967. Der Bee Gee Robin Gibb sitzt bei London in einem Zug, der unfassbar verunfallt. 49 Leute sterben dabei, 78 Schwerverletzte. Robin trägt lediglich einen Schock davon. Als Blogger werde ich ja auch ein wenig für’s Ehrlichsein nichtbezahlt. Ich wuchs mit der relativ unnützen Information auf, dass die Bee Gees zu dritt sind – einer attraktiv, einer hässlich, einer unbekannt. DerHässliche war Robin. Sagten Frauen, Männer nicht (die hörten Kastratengesang natürlich nicht oder gaben es nicht zu). Ich vermag es nicht so recht zu analysieren, aber neben diesen unfassbaren Songs war bei den Bee Gees gewiss auch die optisch etwas aus den Fugen geratene Verwandtschaftlichkeit ein Erfolgsgeheimnis: Wie, ihr seid Brüder?Echt?? Nee!! Dabei sah man es sofort, natürlich, konnte nur den kleinen, aber arg signifikanten Visagenunterschied nicht glauben. Sieht man einmal davon ab, dass Männer in der Öffentlichkeit nicht so sehr nach Attraktivität beurteilt werden wie Frauen (abgesehen von Trump, Kohl, Strauß, Blüm, Engholm, Habeck, Lindner, Altmeier, Amthor, Trudeau, Putin, Obama, Kim Jong-un….) hatte es Robin Gibb zeitlebens schwer. Und kann wohl entsprechend von Glück reden, dass er nicht frühzeitig gekanntet wurde. Schließlich ist die Musikgeschichte knallevoll mit tollen Gründungsbandmitgliedern, die kurz bevor es karrieretechnisch richtig knallte, gehen mussten, weil es optisch einfach nicht reichte.
Ganz wichtig: Am 05. November 1977 quittiert Ozzy Osbourne bei Black Sabbath seinen Dienst. Was von daher wiederum nicht ganz so wichtig ist, weil er einige Wochen später zurückkehrte. Nur um, oh Welt!, etwas später wieder abzudampfen. Habe bei Ozzy eh manchmal das Gefühl, dass er einfach nur ein Träumer ist, der sein Leben wegträumt. Ist aber nur so eine Vermutung.
Na hoppala, auch das hier gehört – man weiß gar nicht so richtig warum – irgendwie zum Soundtrack meiner Generation: Am 05. November 1988 landen die Beach Boys mit “Kokomo” einen Nummer 1 Hit in den USA. Natürlich nur, weil das Stück im Film “Cocktail” mit Tom Cruise vorkam. Der Streifen kann in der glanzvollen Filmografie von Herrn Cruise durchaus untern Tisch gefallen lassen werden. Und von den gut und gerne 30 Beach Boys-Hits ist das so ziemlich der schmalste. Aber so ist das manchmal, dann gesellt sich Mittelmaß zu Mittelmaß – und es klingelt die Kasse.
Morrissey, der herzallerliebste selbst ernannte “Quarry” geht am 05. November 1998 vor Gericht baden. Denn dieses entscheidet, dass die Einkünfte aus den Smith-Platten gerecht unter allen Bandmitgliedern aufgeteilt werden müssen. War er eher nicht so für und vermutlich entsprechend sauer auf Gott und die Welt. Erst Jahre später hat er Jesus vergeben, hörte ich. Am 05. November 2013 trennt sich Lady Gaga von ihrem Manager Troy Carter, auf dessen Kreativmist viele der frühen Gaga-itäten gewachsen sind, egal ob auf CD, auf der Bühne oder im Netz. Gaga hatte zu dem Zeitpunkt 60 Millionen Facebook-Follower. Und ohne Troy Carter wohl nur einen: das laut singende Schulmädchen von nebenan. Aua.
Nicht unerwähnt lassen will ich die Beerdigung von Cream-Mitglied Jack Bruce am 05. November 2014. Der Sänger und Bassist war einen Monat zuvor an einem Leberschaden gestorben. Eigentlich stelle ich mir so eine Rockerbeerdigung ja ganz funky vor. Dem Vernehmen nach haben die anwesenden Trauergäste dort allerdings “Morning Has Broken” und “Strawberry Fields” angestimmt. Weiß ich jetzt nicht, wie ich das finden soll.
Und morgen? Was ist morgen?? Weiß ich doch jetzt noch nicht.
Viele Grüße, David
“Uptown girl” ist eine seeeehr gelungene Reminiszenz an die 4 Seasons, die diesen Stil in den frühen 60ern zwar nicht erfanden aber perfektionierten. Joels LP “Innocent man” ist die einzige, die auch bei mir punkten konnte, weil er da lauter Jugendidolen seiner Zeit Denkmäler setzt. Er zeigte damals Shakin Stevens wo der Hammer hängt: Auf alt getrimmte Songs, die wie echt aus den frühen 60ern klingen.