David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

Und, was lest ihr gerade so? Freitag, 14. August 2020

tboyleschlachten

Was ich gerade lese, das sieht man ja: offensichtlich ein hochaktuelles Anti-Tönnies Buch. Ha! Naja, natürlich nicht so ganz. Denn als „Wenn das Schlachten vorbei ist“ vor wenigen Jahren veröffentlicht wurde, da war die Fleischwelt noch in Ordnung. Da konnte man noch getrost weitergehen, da gab es nichts zu sehen.

Wie dem auch sei, in diesem Naturschutz-Roman von T.C. Boyle – habe knappe 100 Seiten durch – erleben wir eine junge Wissenschaftlerin, die versucht die einzigartige Fauna- und Flora einer kleinen Insel zu retten. Daumen hoch, der schicke ich doch sofort meine He-Man-Superheldenkräfte! Ihr in die Quere kommen will ein dreadgelockter Vegetarier, der der Meinung ist, dass kein Tier es verdient getötet zu werden, schon gar nicht mittels grausamer Chemiehammer, die zu fiesen Blutungen aus Mund, Ohren Nase und Hinterteil führen… guter Mann! Dem schicke ich doch auch sofort meine He-Man-Superheldenkräfte! Der Knackpunkt sind Ratten. Einstmals von Menschen auf die Insel gebracht, machen sie mittlerweile allen anderen Lebewesen vor Ort den Garaus. Die Wissenschaftlerin will sie entfernen, der Vegetarier retten. Alle ganz selbstlos, alle im Sinne der Natur, klar. Und alle ab jetzt also ausgestattet mit den von mir verliehenen He-Man-Superheldenkräften. Bekommen nur gute Menschen. Warum? Na, weil es drollige Ergebnisse liefert.

Die Guten gegen die anderen Guten, das ergab schon immer die lustigsten Auseinandersetzungen. Das erleben wir aktuell arg oft in anderen Bereichen, kennen wir aber schon seit dem Film „Das Leben des Brian“ von 1979.  Ihr erinnert euch? Wie die jüdische Volksfront in den Katakomben Jerusalems unerwartet auf die Volksfront von Judäa traf, jeder für sich einen Anschlag auf die üblen römischen Besatzer geplant hatte, sie dann aber dort unten übereinander herfielen, sich gegenseitig das Licht auspusteten? Leider lustig. Das kriegen all die Anständigen und Integren dieser Tage auch ganz amüsant hin. Bevor irgendjemand anfragt, ob er oder sie sich für seine werthaltigen Belange rund um Demokratie und Freiheit auch mal meine He-Man-Superheldenkräfte ausborgen kann, Vorsicht ist geboten! Wie alle Superhelden sind auch meine aus übelstem Hartplastik hergestellt, riechen auch nicht richtig gesund, wurden in den 80er-Jahren fabriziert in ihr-wisst-schon-wo. Sich von Superhelden helfen lassen fliegt einem also definitiv irgendwann qua Untersuchungsausschuss um die Ohren.

Und so hocke ich vor diesem Boyle-Buch wie ich derzeit auch sehr oft vor Politmagazinen hocke. Mit exakt der Visage, die auch die beiden römischen Wachsoldaten im Monty Python-Klassiker trugen, angesichts sich gegenseitig niedermetzelnder jüdischer Freiheitskämpfern: kopfschüttelnd, irritiert, verblüfft.

Wer da nicht Sympathien für Skeletor entwickelt, der lügt.

 

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 17. August 2020 von in Nachrichten, Und, was lest ihr gerade so?.

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