David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Soeben ausgehört: Public Image Limited – “Album” (1986)

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von David Wonschewski

Da es objektive Rezensionen weder geben kann noch darf, kann das “Album” – subjektiv betrachtet – nur 5 Sterne erhalten. John Lydon (ehemalig Johnny Rotten) ging es es nach seinen – wieder subjektiv – schlechten Erfahrungen mit den Sex Pistols und vor allem Impresario und Mentor Malcom McLaren vornehmlich darum, mit Public Image Limited eine gesellschaftlich-künstlerische Plattform zu schaffen, in der diverse Stränge zueinander finden. Mit u.a. schließlich auch dem Gesamtkunstwerk “Album” als Ergebnis. Und eben nicht mehr, wie bei den Sex Pistols, dem Ergebnis “Star” oder aber, noch schlimmer: Punk-Identifikationsfigur. Weder von den Medien, noch von einer vermeintlichen Undergroundszene wollte er auf die eine oder andere Art (sei es via vermeintlichem Skandal oder via perfider Beweihräucherung) falsch ausgelegt werden. Sondern stattdessen grenzen- und schrankenlos agieren, wenn nicht gar: gesichtlos.
Ob ihm das alles gelungen ist, nun, darf bezweifelt werden, wurde Public Image Limited ab Mitte der 80er Jahre doch zunehmend zum Lydon-Vehikel. Das natürlich nur nur, aber letzendlich vor allem von den Einfällen und der wirr-vehementen Ausstrahlungskraft seines Protagonisten lebte.
Musikalisch bietet “Album” – obschon von Kritikern nicht unbedingt als bestes PIL-Werk gesehen – alles, was vielleicht den perfekten Einstieg ins Public Image Limited-Universum ermöglicht.

Und diese Platte zu verstehen, muss man letztlich jedoch vor allem Lydon kapieren. Und, sein ewiger Kampf, wie er wahrgenommen wurde, von Begin seiner Karriere an. Wie es war für ihn, als blasser, schmächtiger, rothaariger Teenager in Londoner Vorortghettos, in denen nur überlebte, wer eine große Fresse hatte, aneckte, auffiel. Lydons Lebensschule. Er kämpfte sich durch, ein genetischer und gesellschaftlicher Verlierer, m permanenten Ausnhame- und Angstzustand. Wenn du da nicht Punk wirst, stirbst du.

Nun, Lydon wurde Punk doch es änderte wenig. Selbst als Punk-Ikone mit den Sex Pistols kam er nicht mehr aus der Komplex-Ecke heraus. McLaren beghandelte ihn und seine Kollegen wie unmündige dumme Spielzeuge, die Fans mochten ihn nur spuckend und auf die Bühen kackend und die Jouraille und das Establishment, ach herrje: Fuck Off. Dass Lydon musikalisch wenig versiert ist und er zwar am Mikro steht, Vokalaushängeschuild von sonstwas ist, stimmlich aber mit seiner so seltsam hellen, dünnen Stimme für nix und wieder nix zu gebrauchen erledigte den Rest. Machte aus ihm einen Mann im permanenten Ausnahmezustand, einen Mann im Angriff-als-beste-Verteidigung-Modus.

Vertrauen in niemanden, glauben an nichts. Sichert das eigene Überleben.

Exakt das sollte Lydons größtes Manko, zugleich aber seine größte Kraftquelle werden. Als er 1978, direkt nach dem Aus der Sex Pistols, Public Image Limited gründete, scharrte er unbekannte, aber hochversierte Musiker um sich. Talente wie Keith Levene, der schon als Jugendlicher bei Studioaufnahmen von Yes reüssierte, um ein Haar Gründungsmitglied der von Lydon innig gehassten The Clash geworden wäre – und schließlich entscheidend dazu beitrug die ersten P.I.L. Alben zu Meilensteinen avantgardistischer Musik zu veredeln. Lydon und Levene, ein absolutes Dreamteam des frühen Postpunk. In seiner 2015er Autobiografie beschreibt Lydon was zum Bruch der beiden führte, damals, vor “Album”. Und es spricht für lydons offene, konfrontative Ehrlichkeit, dass man selbst als Leser einer Lydon-Biografie das Gefühl hat: an Levene lag es gewiss nicht.

Wie dem auch sei, Lydon hatte Biss, Mut, war Aggro und verfügte über genug Reputation und, nunja “Public Image”, um Käufer zu finden. Zerstritt sich nur mit jedem, jagte jeden vom Hof oder wurde von jedem vom Hof gejagt. Umso kopschüttelnder reagierte die Musikpresse, als Sie vor Release von Album in Kenntis darüber gesetzt wurde, dass Lydon für “album” mal wider alles und jeden über den Haufen geworfen hatte. Und diesmal mit Steve Vai (hierulande kaum bekannt, aber in den USA als verkanntes aber nicht zu integrierendes Gitarren-Genie verschrieen) und, jaja: Ginger Baker zusammenarbeitete. Ja, richtig gelesen, Ginger Baker, der mit Eric Clapton Ende der 60iger Cream zur Kultband gemacht hatte, der bekanntlich die Vorlage zum drummenden  “Tier” der Muppet Show geliefert hatte und weltweit wohl der einzige hagere, rothaarige und ähnlich unzurechnungsfähig-aggressive Charakter war, der Lydon in alledem noch übertrag.

Egal, “Album” wurde produziert und veröffentlicht. Scheiß auf Gemengelage. Man muss also bedenken, dass jeder etwas erwartete, was heftig auseinanderdriftet, um nicht zu sagen: explodiert. Und ja, Mitte der 80er wollte man Lydon tatsächlich sehen wie er auf die Fresse flog. Punk war vorbei, beliebt war er eh nie gewesen, zack. Dass Lydon gerade an diesem Punkt, er reüssierte neben Bill Laswell als Co-Produzent, dasss wohl mainstreamigste Album siner Karriere aufnham, tja, zeigt das Talent des John Lydon. So wie schon Stendhal es in “Rot und Schwarz” (einem seiner Lieblingsromane) predigte stets das zu tun, was keiner erwartet.

Nein, zu Pop wurde Lydon auch auf “Album” nicht. Experimentierlust, harsch zupackende Texte – und immer wieder eine überraschend popaffine Eingängigkeit. Zwar nicht mehr so musikalisch widerspenstig wie zu Levenes”Second Edition”-Zeiten ist Lydon hier der Welt zugewandter, kappt Verbindungen nicht, sondern knüpft Bande. Und entdeckt erstmalig seine Vorlieb für minimale weltmusikalische Einflüsse. Gerade das schlichtweg schöne “Rise”, der Titel ist auf einem John Lennon “Slogan” aufgebaut und für gegen die Apartheid ankämpfende Südafrikaner geschrieben  zeigt, dass Lydon womöglichz wirklich nie der Bürgerschreck war, als der er so intensiv dargestellt ( oder z.T. auch von anderen missbraucht wurde). Sondern i diese Rolle hineingeschrieben, stellvertretend von Massen hineinprojeziert wurde. Ein Mann, der über die Attacke immer Positives bewirken will und wollte.

Could be wrong, I could be right…so beginnt “Rise” (unten zu sehen und hören). Und nein, Lydon hatte nie ein gute und starke Stimme und wird nie eine gute und starke Stimme haben. aber vielleicht ist ja genau das die Erklärung des Phänomens Lydon: die Stimme, die er gar nicht hat – hat er stets genutzt.
Klasse Album, das nicht abschreckt, zugleich aber fordert.

 

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 15. August 2020 von in Musikrezensionen, Nachrichten und getaggt mit , , , , , , , , , .
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