David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Schweizer Liedermacherszene. Heiniger trifft: Uli Führe

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von Markus Heiniger

(dieses Interview erschien auf meinem Liedermacherportal ein-achtel-lorbeerblatt.de, das bald gelöscht wird, weshalb ich einige Inhalte hier weiterhin zugänglich mache)

Auf der Bühne des proppenvollen Silberbergsaals, bei den Basler Elsassfreunden, lernte ich ihn unlängst kennen. Ich liess am Piano den Mond über dem Blauen aufgehen und Basels Boden beben. Uli Führe begleitete die morbid-geniale Johann Peter Hebel-Collage des ebenfalls anwesenden alemannischen Dichters Markus Manfred Jung auf der Viola da Gamba und seine eigenen, bissig-witzigen Lieder swingend an der Gitarre. Ein Spektrum von Renaissance-Musik bis hin zum Jazz unter fein gedrechselten Texten, welche von verzweifelter Partnersuche handeln, die in fröhlichem Single-Dasein endet oder von verzweifelten Eltern eines pubertierenden Jungen, bei dem die ganze musikalische Frühförderung von damals – gelangweilt wie er jetzt vor dem Bildschirm sitzt – nicht zu fruchten scheint. Mein Interesse war geweckt.

Auf seinen CDs vertont Uli Führe nebst eigenen Liedtexten und Gedichten von Markus Manfred Jung, dem Gründer der Schopfheimer Mundart Literatur Werkstatt auch Lyrik älterer Dichter. Als Alemanne natürlich allen voran von Johann Peter Hebel. Dessen Ruhm hatte zu Lebzeiten Goethes Urteil befördert, Hebel sei es als Erstem gelungen, „auf die naivste, anmutigste Weise im bäuerlich-kleinbürgerlichen Milieu den Weltentwurf der Aufklärung zu vermitteln“. So klingen Hebels grosse Gedichte und Klassiker, wie „Die Vergänglichkeit“ oder „Der Wegweiser“, nun auf einmal sehr nach Uli Führe. Und das klingt gut.

Jetzt gerade, ein paar Wochen später, sitzt Uli zum Interview bei mir am Esszimmertisch in Biel-Benken. „Dass es so schön sein kann in der schweizerischen Umgebung von Basel“, bemerkt er mit Schalk im Nacken. Er hält sich nämlich nicht so oft am linken Ufer des Rheins auf, kennt er doch fast nur rechtsrheinische Bühnen. Aber alles schön der Reihe nach. Schliesslich sitze ich ihm hier mit Block und Kugelschreiber gegenüber und will so einiges wissen von meinem alemannischen Liedermacher- und Musikerkollegen, dessen Lörracher Dialekt beinahe klingt wie mein Baseldeutsch. Beinahe.

MH Salli Uli!

UF Soli Markus

MH Sag mal, wie hat bei dir alles angefangen?

UF Ich kam 1957 in Lörrach im Elisabethen Krankenhaus als Sohn eines Eisenbahners zur Welt. „E Bähnler isch er gsii, my Vatter“. Ich wuchs in Bahnhöfen auf, mit Blick auf den Tender, den Wasser- und Brennstoff- Vorratsbehälter für die Dampflokomotiven.

MH Schöne Aussichten?

UF Schon. Von meiner Mutter wurde ich allerdings immer angehalten das Küchenfenster zu schliessen, wegen des Kohlenstaubs, der sich wie ein Film über alles legte, drang er in die Wohnung ein. War das Fenster trotzdem einmal geöffnet, roch es nach Schokolade von der nahen Suchard-Fabrik her.

MH Schön verwurzelt also in Lörrach?

UF Von wegen. Wir zogen dauernd um. Ich lebte in Lörrach, Grenzach, Tumringen, Freiburg… Ich wurde dauernd umgetopft.

Ich bin ein staatlich anerkannter Dummkopf

MH Wie ist dir das bekommen?

UF Ich besuchte elf verschiedene Klassen in neun verschiedenen Schulen. Ich konnte nirgends Fuss fassen und litt schon damals unter Migräne. Zudem hatte ich einen ehrgeizigen Vater. Kam ich mit einer schlechten Schulnote nach Hause, hat’s geknallt. Dreimal bin ich sitzen geblieben. Ich bin ein staatlich anerkannter Dummkopf. Als ich auf das Gymnasium kam, entdeckte mich ein Musiklehrer. Er meinte, ich solle Geige spielen lernen.

MH Im Gymnasium kamst du zur Musik?

UF Nein, die Entdeckung der Musik verlief bei mir ganz anders. Ein Kurzzeitfreund meiner Schwester schenkte ihr eine Doppel LP von „The Who“ – die Rockoper Tommy. Sie konnte damit nicht viel anfangen. Ich schon. Und nicht nur diese Doppel-LP, auch die Gitarre meiner Schwester wanderte so langsam definitiv von ihrem Zimmer in meines. Ich begann die Riffs von „See me, feel me, touch me“ zu spielen und sang mich damit mitten in meine Pubertät hinein. Ein Lied nach dem anderen habe ich auswendig gelernt.

MH Du bist heute aber kein Rock ’n‘ Roller.

UF Nein, denn da war eben auch noch diese Fernsehsendung im 3. Programm des Südwestfunks. Alan Stivell trat im Pariser Olympia auf. An der Harfe. Mit bretonischen Liedern. Singt da im bedeutendsten Kulturtempel von Paris eine Sprache, die „kei Sau“ versteht und kommt an damit.

MH Und da hast du mit Alemannisch angefangen.

UF Genau, da ist es passiert. Seine bretonischen Sachen habe ich aber auch gelernt. Die kann ich heute noch. Und ich begann mich mit Folkmusik zu befassen. Wir Deutschen waren ja sprachlos nach dem Krieg. In Deutschland gab es nach dem Krieg in der Schule keine Lieder mehr mit deutschem Text. Ich gründete zusammen mit Freunden eine Folkmusik-Gruppe.

MH Wie hiesst ihr?

UF „Kumm Geselle min“. Drei Leute, 15 Instrumente, dreistimmiger Gesang. Das war genau genommen eine Mischung aus Folk und Uli Führe. Denn wir sangen alte Lieder und meine alemannischen Texte. Da war ich zwischen 19 und 23. Wir sangen in der Hausbesetzer-Szene und auf Demos gegen die Stationierung von Pershing 2 Raketen und gegen den Bau von AKWs. Da war ich mittendrin mit meinen Liedern.

MH Und die Schulkarriere?

UF 1978 dann endlich doch noch Abi. Und danach Zivildienst auf der Tüllinger Höhe mit sozial auffälligen Kindern.

MH Was ist dir im Kopf geblieben aus diesen Tagen?

UF Da war ein Mädchen mit total kaputten Zähnen, abgemagert, es hatte sich sieben Jahre lang nur von Biscuits ernährt. Zu Hause lebte es mit seiner Mutter zusammen, die die Männer wechselte wie die Wäsche. „Jetzt darf ich zu Michael Papa sagen“, erklärte es. Kurze Zeit später, „jetzt darf ich zu Peter Papa sagen.“ Und nun sollst du arbeiten mit einem solchen Kind. „Das het eim scho weh to!“ Und ich habe unheimlich viel gelernt. Es sind auch Lieder daraus entstanden. „Chind im Sack, du bisch dinn und mir sin duss“, (Kind im Sack, du bist drin und wir sind draussen). – Auf meiner ersten LP 1980.

MH Dann kam das Musikstudium.

UF Schulmusik. Fünf Jahre in Stuttgart.

MH Hauptinstrument?

UF Geige. Leistungsfach Gesang. Nebenfach Popularmusik, also Jazz, mit Instrument Gitarre. Musikwissenschaft hab ich auch noch studiert. Mit Schwerpunkt Renaissance-Musik. Die Niederländer. Und mit Hugo Wolf habe ich mich beschäftigt. Mit dem Romantischen Klavierlied.

MH Aus dem schulischen Versager wurde ein ambitionierter Musikstudent?

UF Es lief nicht schlecht. Aber es lief vor allem auch wieder völlig unerwartet anders. Denn noch während des Studiums bekam ich einen Lehrauftrag. Ich durfte Sozialpädagogen in Musik unterrichten, im Singen. Damals entwickelte ich in den Grundzügen bereits die Methode, mit der ich in meinen Seminaren heute noch immer arbeite, in denen ich Stimmbildung und Chorarbeit anbiete.

MH Und das mit den Liedern lief so nebenher?

UF Ja. Nebenher bin ich immer aufgetreten mit meinen alemannischen Programmen und habe Aufnahmen gemacht. LPs.

MH Viele steigen übers Covern bekannter Songs ein. Hast du keine Lieder von „The Who“ ins Alemannische übersetzt?

UF Ich wollte nie über bestehende Harmonien texten, versuchte musikalisch immer meinen eigenen Weg zu gehen, lotete immer eigenes Zeug aus um den Preis, nicht Mainstream zu sein. Aber das war mir egal.

Wo kann man die Grenzen von Bekanntem überschreiten, erweitern, Neues erforschen und dabei immer noch verständlich bleiben?

MH Wie sah das konkret aus?

UF Auf meiner dritten LP waren Stücke für Geige und Stimme. Das empfanden mache Hörerinnen und Hörer fast schon als spröd. Das klang in manchen Ohren weniger nach Liedern und Chansons als vielmehr nach E-Musik. In meinen Ohren war es aber genau das, was ich suchte: Musikalische Grenzüberschreitungen. Denn obwohl ich Popmusik sehr gut mag, habe ich es immer vermieden, damit zu arbeiten. Ich hätte es unstatthaft gefunden, anbiedernd, in ein schon bestehendes Idiom hineinzuschlüpfen. Es ist eine Frage des Musikgeschmacks, klar. Mich interessierten eben immer die Ränder. Wo kann man die Grenzen von Bekanntem überschreiten, erweitern, Neues erforschen und dabei immer noch verständlich bleiben?

MH Gibt es Liedermacher, die du als dir „verwandt“ bezeichnen würdest?

UF Ich wüsste gerade „niemmerts“. Ich höre mir andere Leute gerne an. Manchmal entdecke ich wirklich spannende Kollegen, die ich dann sehr bewundere. Aber verwandt? Ist einer gut, ist er einzigartig mit seinen Texten, seiner Stimme, seinen Liedern. Dann tauche ich darin ein und finde es schwierig zu vergleichen. Und es gibt eben auch gar nicht so viele, die wirklich alles selber machen. Ein Liedermacher ist ja ein Gesamtkunstwerk. Es ist wirklich eine enorme Leistung, alles zu vereinen.

MH Und wen bewunderst du?

UF Rene Egles, Thomas Felder, Marcel Adam fallen mir spontan ein. Früher habe ich Biermann und Wecker bewundert.

MH Sind die Berührungsflächen letztlich nicht grösser als die Unterschiede?

UF Es ist die Aufgabe eines jeden Künstlers, dass er zu sich selber kommt. Darauf kommt es an. Unter dem Strich ist es nicht einmal so wichtig, ob es so enorm kunstvoll ist, was er macht, die Persönlichkeit muss durchklingen. Geschieht dies, wird es interessant. Aber natürlich ist es trotzdem wichtig, dass auch das Handwerk stimmt. Wie bei dir. Ja, das war für mich eine richtig tolle Sache, eine Entdeckung, dich auf der Bühne kennen zu lernen.

MH Oh, danke. Gleichfalls!

UF Was hingegen wirklich schlimm ist, sind Liedermacher, die musikalisch toll sind, aber nichts zu sagen haben oder zu erzählen. Das habe ich auch schon erlebt. Furchtbar. „Me mues öppis z sage ha!“

MH Und du sagst es auf Alemannisch.

UF Ja, das ist meine erste Sprache und meine letzte. Hochdeutsch ist halt immer die zweite Schicht, ist erlernt. Da gibt es immer eine Art Filter zwischen Gefühl und Sprache. Zwar arbeite ich zwischen Kiel, Bern, Wien und Brixen und liebe es sehr mit den Menschen Hochdeutsch zu sprechen. Aber was bei mir wirklich sitzt, ist Alemannisch.

Wir sind die ersten, die das machen und – vielleicht -die letzten

MH Schreibt einer berndeutsche Chansons, hat er ja -zig Vorbilder. Seit der grossen Zeit der Berner Troubadours um Mani Matter, Fritz Widmer und Jacob Stickelberger gab und gibt es so viele Liedermacher und auch Rockmusiker, die mit diesem Dialekt arbeiteten und arbeiten, allen voran Polo Hofer, aber auch Gölä oder die erfolgreichen Bands „Züri West“ oder „Patent Ochsner“. Die grossartige Dodo Hug. Und viele andere tolle Künstler mehr. Man bewegt sich auf einem verkehrsreichen Gewässer. Und Neuland ist nicht mehr so leicht zu entdecken. Wie sieht das im süddeutschen Raum aus?

UF Für badische Alemannische Lieder gibt es kaum Vorbilder. Und Dominanzen existieren eh keine. Wir existieren ja auch nicht in den Medien, wir haben keine Lobby, keine Kulturämter, die uns fördern, wie gesagt keine grossen Vorbilder, die uns prägen, also völlig freien Spielraum. Wir sind die ersten, die das machen und – vielleicht – die letzten.

MH Stirbt das Alemannische aus?

UF Meine Kinder „schwetze“ keinen Dialekt, nur Hochdeutsch. Es gibt fürs Alemannische noch ein paar Rückzugsgebiete, wie etwa das Wiesental. Nein, so präsent wie etwa in Bayern das Bayrische ist das Alemannische nicht mehr. Es ist schon fragil.

MH Wie sehen die Leute im Südwesten Deutschlands den Dialekt?

UF Die Leute finden es lustig. Ich werde hin und wieder gefragt: „Wo haben Sie das gelernt, diese Sprache?“ Die meinen, das sei ein an der Volkshochschule angelerntes Phänomen. Ist eben die Unwissenheit der Zugezogenen.

MH Und in Deutschland allgemein?

UF In Deutschland werden wir als Schwaben wahrgenommen oder als Schweizer, wegen der Verkleinerungsform „li“. Aber wie will man unseren Dialekt auch kennen? Er ist im Funk nicht präsent. Fahre ich durch Österreich, klingt das Radio nach Österreich. In Bayern, nach Bayern und in der Schweiz sowieso nach Schweiz. Alemannisch im Südwestfunk Baden Baden? Fehlanzeige.

Sprachen sterben nicht aus, das ist Schwachsinn. Sprache ist hochlebendig, wie eine Pflanze. Sprache verändert sich. Passt sich an!

MH Also stirbt das Alemannische aus. Wie im Elsass.

UF Sprachen sterben nicht aus, das ist Schwachsinn. Sprache ist hochlebendig, wie eine Pflanze. Sprache verändert sich. Passt sich an! Klänge nivellieren sich, klar. Aber es wird immer Farben geben. Denn Sprache ist ein ganz grosses Element der Identität. Klangidentität.

MH Heimat?

UF Ich hatte gerade ein Erlebnis in einem Pflegeheim. Da lag eine alte, renitente Frau. Der Pfleger sprach sie an, auf Hochdeutsch. Aber sie ignorierte ihn, wollte nichts wissen. Sperrte sich. Ich gesellte mich dazu und sprach sie auf Alemannisch an. Sie wollte wissen, woher ich komme. Es stellte sich heraus, dass wir zwar nicht aus demselben Tal stammten, aber beinahe. Ich vermittelte und sie lenkte ohne weiteres ein. Ich gab ihr, rein durch meine Sprache, ein bisschen Heimat, die sie dringend brauchte, da, völlig verloren im fremden Bett mit dem Bein im Gips und verzweifelt ihr Gebiss suchend, das sie ja bereits im Mund hatte. Sie hörte Alemannisch, und alles war wieder im Lot.

MH Bis wo in Deutschland versteht man dich?

UF Bis Karlsruhe, Stuttgart, Friedrichshafen. Aber wohlgemerkt, immer nur rechtsrheinisch. Das Alemannische im Elsass ist tot. Der grosse Rene Egles spielt zu 95 Prozent in Deutschland.

MH Er zog im Elsass mit seinen elsässischen Liedern wie „Em Pappe syni Schlappe“ ja während Jahrzehnten von Schulklasse zu Schulklasse, und der Staat bezahlte ihm seinen Einsatz für seine Sprache. Ja, und heute erklärt Rene mir doch tatsächlich, mit dem Elsässischen sei es wie mit dem Arzt, der zum lungenkrebskranken Patienten sagt: „Nun, da der Krebs bei Ihnen so weit fortgeschritten ist, dürfen Sie getrost wieder rauchen.“

UF Ja, heute lebt ein Egles fast nur noch von den Deutschen.

MH In Stuttgart verstehen dich die Leute?

UF Nach drei Liedern ohne Probleme.

MH In der Schweiz verstünde man dich vom ersten Lied an. Dein Dialekt klingt beinahe wie Baseldeutsch.

UF Ja, aber es funktioniert hier hinten und vorne nicht. Ich glaube, die Schweiz interessiert das gar nicht, was ich mache. Ich brachte es innert 40 Jahren auf ganze sechs Auftritte in der Schweiz. Schwierig einzuordnen, warum es hier nicht klappen will. Es ist, als jucke sie das einfach nicht, die Schweizer, was ich so singe. Da trete ich lieber in einer Wirtschaft im Schwarzwald vor einem wachen, aufmerksamen Publikum auf. Aber ich beklage mich nicht. Ich bewerbe mich ja auch nicht als Liedermacher. Ich wurde über all die Jahre immer engagiert und das Interesse an meinen Liedern hat nicht nachgelassen. Viele Engagements kann ich gar nicht annehmen, weil es bei mir immer wieder Wochenenden gibt, die von meinen Seminaren belegt sind.

MH In den Schweizer Kleintheatern regiert das Kleinkunstbusiness. Da kämpfen die Agenturen drum, ihre Künstler zu platzieren. Und die Theaterbetreiber kämpfen ums finanzielle Überleben. Viele sind zwar durchaus interessiert an Neuem. Aber eben. Sie müssen den Saal füllen. Bist du nicht doch etwas enttäuscht?

UF Nein, wirklich nicht gross. Ich habe wie gesagt eh viel mehr Anfragen, als Zeit aufzutreten.

MH Und wofür braucht der Liedermacher Uli Führe denn sonst noch Zeit?

UF Um meine Musicals zu komponieren zum Beispiel. Eben arbeite ich an einem Martin Luther-Musical. Das sind dann jeweils Auftragsarbeiten für Chöre. Da schreibe ich eine Art Chor-Chansons zu vier Stimmen. Rose Ausländer habe ich so vertont, auch Texte von Busch, Tucholsky oder Morgenstern. Nicht nur den witzigen Morgenstern. Auch den sehr nachdenklichen. Ich versuche immer, Literatur auf die Reise zu bringen. Und in den Notenheften erscheint dann die Lyrik jeweils nicht nur zwischen den Notensystemen sondern auch kompakt als Gedicht, das ist mir sehr wichtig.

MH Ich sehe da die ganzen Notenhefte vor mir auf dem Tisch liegen, die du nebst deinen CDs mitgebracht hast. Was für ein Werk!

UF Ja, ich arbeite auf verschiedenen Baustellen. Erschienen ist von mir dieser Tage auch das Buch „Tastenlabor“, in dem ich Improvisationsmöglichkeiten auf dem Piano aufzeige, die bewusst auch in anderen Stilen angesiedelt sind als im Jazz.

MH Und deine Liederaufnahmen? Sie klingen immer orchestral, bunt, hervorragend abgemischt. Mit wie grossen Ensembles arbeitest du da im Studio?

UF Hie und da ziehe ich jemanden bei. Wenn ich eine Oboe brauche oder ein Schlagzeug. Auf der Hebel-CD habe ich auch mit Sprechern gearbeitet, mit Carola Horstmann, Markus Manfred Jung und auch mit Kinderstimmen. Die allermeisten Instrumente spiele ich aber selber ein. – Für Auftritte, wenn die Gage stimmt, nehme ich hin und wieder eine Cellistin mit. Und natürlich mein Loop-Gerät.

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(Uli Führe, Gambe, auf der Bühne mit Markus Manfred Jung)

„Hallo Django“ ist ja der vielleicht am meisten gesungene Jazz-Kanon auf der Welt

MH Was für ein alemannischer LiedPoet. Und viel zu wenige Leute kennen dich.

UF Ach, man kennt meine Sachen schon. „Hallo Django“ ist ja der vielleicht am meisten gesungene Jazz-Kanon auf der Welt. Es gibt zahlreiche You Tube-Filmchen davon.

MH Und du kassierst die Tantiemen?

UF Ach was. Keinen Penny. Das ist Sache der Verlage, wenn sie denn überhaupt dazu kommen, solchen Dingen nachzugehen. Ich möchte meine Lebensenergie nicht mit strafrechtlichen Verfahren vergeuden. Ich möchte sie lieber mit positiver Kreativität füllen. Mein Herz und mein Kopf sind ganz bei meinem Schaffen.

MH Gut so! Und vielen Dank, Uli Führe!

UF Gerne!

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Uli Führe, 1957 in Lörrach geboren, Schul- und Popularmusikstudium in Stuttgart; seit 1976 Auftritte mit alemannischem Programm;

Führe erhielt mehrere Preise, darunter den Kleinkunstpreis des Landes Baden-Württemberg und den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik.

CDs: Himmel us Stei, Dank Hebel, Ikarus, D Fledermuus, Chlungi Halunki, Arie Nr. 9, D Gränze chasch vergässe, Chrutt unter der Huut, I will nit.

Kursleiter in den Bereichen Liedpädagogik, Stimmbildung für Chorleiter, Gesangspädagogen, Musiklehrer und Erzieherinnen; er war Professor für Chorpädagogik in Düsseldorf an der Hochschule, Komponist.

Kinderlieder (Äffchen Bob, Feuerzutz und Luftikant, Mobo Djudju, Kroko Tarrap), Musicals für Kinder (Randolfo, Am Himmel geht ein Fenster auf, Luzi hat was gegen Weihnacht, Die tollen Trolle, Ein Kind und ein König,..) Tastenlabor, Stimmicals 1 und 2 – Lehrbücher zum mehrstimmigen Einsingen, Jazzkanons (Wenn s gut geht, Allesimada, Hallo Django), Chorhefte (15 Psalmvertonung, Flüsse wie du, Summa Summarum, Ukulala, Er und sie, …), weitere CDs: Mondstein, Wie ein Fluss, Verwandlung, Tanzhaus,… ,u.v.m.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 27. Juli 2020 von in EAL / Liedermacherszene, Nachrichten und getaggt mit , , , , , .
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