Doch, das ist schon eine kleine Ehre. Wenngleich eine solche, die sich seltsam anfühlt, hat sie einen erst einmal “ereilt”. Jährlich vergibt die Liederbestenliste, ein Zusammenschluss von 20 Musikjournalisten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, den “Förderpreis der Liederbestenliste”. Wie im vergangenen Jahr, so durfte ich auch in diesem Jahr einem kleinen Gremium angehören, das sich durch knapp 100 Bewerbungen und Vorschläge wühlt. Und – das bleibt nicht aus: urteilt. Eine interessante, eine sehr spezielle Herausforderung, die arg abweicht von den Erfordernissen z.B. einer Plattenrezension. Denn, gute Frage: Wie definiert sich “förderungswürdig”? Ich bin froh, dass von der Liederbestenliste bisher einzig und allein das Kriterium “deutschsprachig” vorgegeben wurde. Nicht zuletzt, um sich nicht zwanghaft Grenzen zu setzen, tolle Musiker per se auszuschließen, nur weil irgendein bürokratisch festgetackertes Detail nicht stimmt.
Es gehört sich bekanntlich nicht allzu viele Interna auszuplaudern. Doch auch aus der Ferne betrachtet zeigt sich bei Preisvergaben das wiederkehrende Journalisten-Dilemma aus unumgänglicher Subjektivität und vermeintlicher Objektivität.
Klar, zu Beginn steht der Klang, der Umgang eines Künstlers mit Sprache – und somit das Bauchgefühl des Hinhorchenden. Da eine Preisvergabe jedoch kein Ego-Trip ist schließen sich dort bereits koalitionsähnliche Verhandlungen an. Durchaus faszinierend, durchaus aber auch zum Haare ausrupfen: Sperre drei Leute ein, die glauben auf einer musikalischen Linie zu liegen, gebe ihnen eine Liste mit 100 Namen und dazu die Vorgabe diese Liste auf sechs Namen zusammenzudampfen. Also sich auf sechs Musiker zu einigen, hinter denen jeder voll und ganz steht. Klingt einfach, ist aber kurz vor unmöglich. Nicht etwa, weil es keine sechs oder mehr guten Musiker gäbe – sondern weil die Bauchgefühle wertender Personen derart auseinandergehen, bei aller Ähnlichkeit, bei aller Freundschaft, bei allem zuvor vermuteten Gleichschritt. Ein interessantes Menschenphänomen, das im Übrigen auch erklärt, warum das verhasste Dudelradio immer die gleichen Lieder spielt: Gebe 500 Stammhörern deines Senders eine Liste mit 1000 bekannten Popsongs und dazu die Möglichkeit diese Songs via Bauchgefühl mit JA oder NEIN zu beurteilen. Und der Vorgabe später nur jene Songs im Radio zu spielen, wo mindestens 250 der 500, also die Hälfte, ein JA hinter geschrieben haben. Lauter Stammhörer, alle haben offensichtlich einen ähnlichen Musikgeschmack, eine ähnliche persönliche Vita sogar – aber wohl dem Sender, bei dem auf diese Weise mehr als 100 Songs stehen bleiben. In der Regel sind es sogar weitaus weniger, welcome to Hot Rotation. Ein mediales Notkonstrukt, entstanden aus der Unterschiedlichkeit von Leuten, die felsenfest glauben von gleichem Schlage zu sein. Und falsch verstandener “Kunde ist König”-Ranschmeißerei, versteht sich.
Wie dem auch sei, nach vielen Wochen des Wühlens, Hörens und Diskutierens haben wir dieser Tage jene sechs Musiker bekannt gegeben, die aus unserer Sicht diesen Förderpreis mehr als verdient haben, also “nominiert” sind. In dieser Woche findet nun die Abschlussdiskussion statt, wer den “Förderpreis 2015” bekommen wird. Ich bin selbst gespannt. Der Jüngste? Der mit den wenigsten Auftritten? Oder doch eher der mit der größten Erfahrung? Der mit den politisch zupackenden Texten? Oder der mit der unfassbaren Stimme? Der, der gezeigt hat, dass zu seinen Konzerten 100 und mehr Leute kommen? Oder doch besser der, der eisern und zäh seit Jahren vor maximal 15 zahlenden Gästen agiert? Darf es einem Musiker hier “zum Verhängnis” werden, dass er es in einem immer wiederkehrenden Kraftakt zu zig Auftritten pro Jahr bringt, derweil manch anderes Talent zu Hause sitzt und auf “Mr. Super-Booker” wartet? Was ist hier ein Pro-, was ein Contra-Argument?
Und wer zum Teufel bin ich überhaupt, dass ich mich erdreiste Däumchen zu heben und zu senken?
Nun, es wird schon für einen guten Zweck sein, zu Gutem führen.
Wer sich einen Eindruck über die sechs von uns ausgewählten Musiker machen will, der/die kann das gerne tun. Dazu einfach auf die Namen der Musiker klicken.
Nominiert für den Förderpreis der Liederbestenliste 2015 sind…
Foto oben: Ingo Nordhofen.
Lesen Sie auch: “Schwarzer Frost”. Übelgelaunte Bekenntnisse aus dem Leben eines zur Professionalität verdammten Musikjournalisten. Mehr Informationen zu diesem Roman entnehmen Sie bitte diesem Blog. Zum Beispiel: HIER.