Werfen wir einen aktuellen Blick auf die Homepage von Gerhard Schöne, so werden wir dort nun, im Jahr 2013, sogleich von folgenden Zeilen begrüßt: „Meine Lieder sollen Lebenszeichen sein. Sie sollen ansingen gegen alles, was Leben einschränken oder verhindern will, in uns und um uns herum.“ Ein Satz, der sich schnell dahin sagt, schnell ein paar moralische Pluspunkte eingesammelt bekommt und den Sprecher dieser Zeilen ebenso schnell auf der Seite der kritisch aufrechten Gutmenschen einsortiert . Und doch so unfassbar schwierig in die Tat umzusetzen ist, vor allem über viele Jahrzehnte hinweg.
So aber ein Künstler sich mit einem solchen Statement schmücken darf, dann ist es wahrlich Gerhard Schöne. Um das bestätigt zu finden genügt es bereits sich seinem Debüt-Album zuzuwenden. „Spar deinen Wein nicht auf für morgen“ erschien 1981, der gebürtige Sachse Schöne ging gerade stramm auf die 30 zu – und legte ein Album vor, das ihn in zumeist feinsinnigen Formulierungen bereits jenen oben zitierten Leitsatz des Jahres 2013 umsetzen lässt. Er sei, so sagt seine offizielle Biographie, einer der „ganz wenigen aus der Gilde ostdeutscher Liedermacher, deren Popularität die politischen Turbulenzen der 1990er Jahre ungebrochen überstanden hat.“ Dem darf definitiv zugestimmt werden, erweitert um die nachgereichte, subjektive Ansicht, dass Schöne zwar – natürlich – nicht über die brachiale politische Schlagkraft eines Wolf Biermann verfügt, wie er es auch nicht so ganz an die „gesamtdeutsch“ unerreichte Poesie eines Wenzel heran schafft. Dafür in seinen Liedern aber etwas in die Ohren und im besten Fall auch Seelen und Herzen seiner Hörer trägt, was jenen beiden anderen großen, noch in der DDR aufgewachsenen Liedermachern komplett angeht: Denn wo Biermann der pure Kopf zu seins cheint und Wenzel die pure Kunst, ist Schöne nicht viel weniger als das pure Leben. Und so gelingt es ihm bereits auf „Spar deinen Wein nicht auf für morgen“ bereits jene Geschichten zu erzählen, die aus dem Leben eines jeden Menschen stammen könnten, stammen sollten. Der Titeltrack dieser Platte ist nur oberflächlich ein Song über das Bechern, zwischen den Zeilen jedoch ein in geradezu wunderschöner Weisheit erblühendes Lied über das Geben, das doch schon immer seliger gewesen ist als das Nehmen. Und über die unterm Strich dann doch nur von wenigen Menschen erreichte Kunst, zwar „carpe diem“ zu sagen, es dann aber doch nicht umzusetzen. Das beschwingte „Highlife in the City“ symbolisiert die sozialkritischere Seite des Albums, kämpft gegen das innere Vergreisen des Individuums und mausert sich schneller als vermutet zu einem veritablen Ohrwurm. Auch wenn der geneigte Hörer zunächst glaubt Songs dieser Art, also Lieder, die dazu aufrufen sich im fortgeschrittenen Alter noch zu Jugend und Unvernunft zu bekennen, auch von anderen Liedermachern schon hundertfach vorgesetzt bekommen zu haben – so stimmt das einfach nicht. Denn gerade Schönes sanfte Stimmlage sorgt dafür, dass der Song weder übertrieben aufrührerisch wird, noch beschämend nostalgisch. Sondern schlicht und ergreifend ehrlich und somit selbst für den hinterletzten Durchschnittsbürger vollkommen nachvollziehbar. Nein, es kann nicht jeder ein Che Guevara sein, muss es auch gar nicht. Und darf doch von sich sagen, dass er in den ständigen Konfrontationen mit seinem „Alten“ seine ganz eigene Revolution ausgefochten hat.
„Unterm Dach“, „Klang der Stille“ und allen voran „Unterwegs“ zeigen Schöne schließlich auf der Höhe seiner Kunst, wenn wir es einmal so benennen wollen. Es sind hochgradig sensible Beobachtungen des Moments, die der Musiker hier mittels weniger Tupfer in die Luft zeichnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Songs des Albums – Schöne hatte sich speziell für diese Plattenaufnahme einige Freunde zusammengesucht und sie kurzerhand zur Begleitband gemacht – sind diese sanften Lieder sparsam instrumentiert und gerade deswegen, klar, so intensiv. Die unverhohlen zum Ausdruck gebrachte Sehnsucht von „Unterwegs“ – auf der auch diverse Sprenkel Sozialkritik zu finden sind – ist es schließlich, die gerade diese Komposition zum Königstrack der Platte macht.
Wohin soll die Nachtigall,
wohin soll ich?
Da fehlt was,
sagt mir mein Gefühl.
Ich mal‘ meine Sehnsucht,
ich bin unterwegs.
Das ist es noch nicht,
das Ziel.
Großartig. So großartig, dass es nicht verwundert, dass gerade er, Gerhard Schöne, jene „politischen Turbulenzen der 1990er Jahre“ überstehen durfte. Überstehen konnte.
Text: David Wonschewski
Oh ja. Besonders seine leisden Lieder. Unvergessen das “Unterwegs”, das ich noch heute, auswendig gelernt ohne jemals Noten oder Text gesehen zu haben (alles von einer Kassette abgehört!), gelegentlich spiele.
Überstehen mußte.