David Wonschewski | Musikjournalist & Schriftsteller

Melancholisch-sarkastische Literatur für Schwarzhumoriker, Musikenthusiasten und andere glückliche Menschen.

An Tagen wie diesen. Heute vor 40 Jahren: Bruce Springsteen veröffentlicht sein Debüt-Album.

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Damals, in einer Zeit, in der Bruce Springsteen noch nicht der „Boss“ war, da war er zunächst einmal etwas ganz anderes. Nämlich: The next Bob Dylan. Zu Beginn der 70er Jahre war das gewesen, rasend schnell hatte sich an der Ostküste der USA die Kunde von diesem Musiker mit der rauchigen Stimme verbreitet, der sozialkritische Texte der Sonderklasse im Gepäck hatte und vor Kraft und Energie nur so zu strotzen schien. Exakt heute vor 40 Jahren, am 5. Januar 1973, war es dann soweit: Der Sohn eines Busfahrers und einer Sekretärin veröffentlichte sein Debüt-Album, betitelt mit „Greetings from Asbury Park, N.J.“.  Und wie sehr Springsteen die weisen Worte nur so aus dem Mund purzelten zeigte sich gleich hier, in seinen ersten Kompositionen, die mitunter fast etwas überfrachtet wirkten mit ihren vielen Sätzen, die – und dieser Eindruck besteht bis heute – Springsteen kaum unterzubringen vermochte in der dazugehörigen Musik. „Blinded By The Light“, wenige Jahre später zu Weltruhm gelangt in der Version von Manfred Mann’s Earth Band, ist das beste Beispiel dafür:

“Go-cart Mozart was checking out the weather chart to see if it was safe to go outside/
Little Early-Pearly came by in her curly-wurly and asked me if I needed a ride/
Oh, some hazard from Harvard was skunked on beer playing backyard bombardier.”

So singt er, der junge Springsteen. Und muss sich hörbar sputen das alles auch irgendwie in die von ihm komponierte Melodie gequetscht zu bekommen. Ein Charakteristikum, das die ganze Platte durchzieht und durchaus als kleiner Makel erachtet werden kann. Oder eben als das Charakteristikum eines Mannes, dessen Hauptqualität bis heute darin liegt mit fast jedem neuen Song eine kleine Sozial-Saga zu erzählen.

So ganz von der Hand zu weisen ist die Kategorisierung als „nächster Bob Dylan“ jedoch nicht, auch wenn die große Folk-Ikone bei aller ebenfalls vorhandenen Wortgewalt die Lyrics stets spärlicher und somit pointierter zu setzen gewusst hat. Denn musikalisch steht Springsteen ganz in der Tradition der Singer/Songwriter, wie überhaupt gerade in jungen Jahren immer wieder versucht wurde ihn als One-Man-Show zu etablieren, ausgestattet mit nichts anderem als einer Gitarre, seiner Stimme und diesen unglaublichen Texten. Doch bereits hier  auf „Asbury Park“ ist klar zu hören, dass Springsteen  bei aller Wertschätzung für die Klangwelt zwischen Bob Dylan, Phil Ochs und James Taylor, in aller erster Linie ein echter Bandmucker ist, ein Rocker, dem ein differenzierter Klangteppich mindestens genauso wichtig ist wie seine Texte. (Interessanter Weise sind es, bei allem Erfolg und allen Hits, die Springsteen über die Jahrzehnte eingefahren hat, aber vor allem seine wenigen Ausritte in die einsiedlerische Welt der Singer/Songwriter, die Musikkritiker bis heute als seine besten Errungenschaften preisen – allen voran das düster-spröde Album „Nebraska“ von 1982 und das nicht minder frappierende „The Ghost Of Tom Joad“ aus dem Jahr 1995.)

Und so ist es stilechter Folk-Rock, den Springsteen dem Hörer hier auf Albumlänge vor den Latz knallt, arrangiert eher für E-Gitarre und Schlagzeug, als denn für die besinnliche Akustik-Gitarre. Vor allem die die vielen schnelleren Nummern wie „Does This Bus Stop At 82nd Street“ oder das vor einigen Jahren in einer tanzbaren Version zu neuen Ehren gelangte „For You“ unterstreichen den Eindruck hier einer Garagenband bei einer eifrigen Jam-Session zu folgen. Begleitet wurde der junge Künstler dabei von einigen Musikern, die er sich ein Jahr zuvor, 1972, zusammengesucht hatte – und aus denen ein Jahr später, also 1974, dann offiziell die E Street Band werden sollte. Die neben Dylans The Band wohl legendärste Begleitcombo aller Zeiten.

Musikkritiker haben „Greetings from Asbury Park, N.J.“ immer geliebt und tun es bis heute. Der Rolling Stone  zählt das Album sogar eisern unter die 500 besten Platten aller Zeiten. Nur, wie es dann so läuft, das Publikum kann sich bis heute nicht so ganz für Springsteens Frühwerk erwärmen können, nur 25.000 Kopien konnte Columbia Records im ersten Jahr absetzen, ein glasklarer Flop für das kommerziell erfolgreiche Label, was Springsteen jedoch für einige Jahre in den Rang eines wahren Untergrundkünstlers und Geheimtipps versetzte. Und auch wenn er über die vielen Jahre seiner Karriere immer wieder Balladen schrieb, die das Leben gesellschaftlicher Außenseiter und Verlierer porträtierte, klang er auf späteren Platten wohl nie wieder so verletzlich wie in den langsamen Stücken auf „Asbury Park“. Gerade „Mary Queen of Arkansas“ ist das eindrücklichste Beispiel für den zaghaften, an sich und seiner eigenen Kunst zweifelnden und noch längst nicht so hemdsärmelig wie später daherkommenden Springsteen.

 „I’m just a lonely acrobat, the live wire is my trade/ I’ve been a shine boy for your acid brat and a wharf rat of your state.”

So singt er in dem Song. Und es scheint als habe Springsteen sich erst diese Seele aus dem Leib texten und eine lange schmutzige Straße entlangschlendern müssen – um in der Folge zu dem breitbeinigen und  so wunderbar zupackenden Künstler werden zu können als der er schließlich die Welt erobert hat.

„Schwarzer Frost“ – der latent misanthropische Debütroman von David Wonschewski ist im November 2012 im Verlag Periplaneta Berlin erschienen. Beziehbar über alle regionalen und virtuellen Buchmarketender, versandkostenfrei (!) beim Verlag oder aber handsigniert direkt über den Autor. Dazu bitte einfach das Kontaktformular in der linken Seitenleiste nutzen.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 5. Januar 2013 von in Journalist, Rezensionen und getaggt mit , , , , , , , , .

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