Und es hätte so schön sein können: Beim spontanen Genuss der sonntäglichen ARD-Kultursendung „ttt- titel, thesen, temperamente“ durchfuhr mich vor wenigen Tagen ein jäher Moment selten erlebter Begeisterung, brachte der von mir heldisch verehrte Dieter Moor doch eine Glosse rund um den Flughafen Berlin-Brandenburg und die in diesem Zusammenhang bald fällige Einführung des Futur III in die deutsche Sprache. Ein kleiner, aber wunderbar großer Moment des zeitgenössischen Journalismus war das, kritisch, sarkastisch, sprachlich ausgereift. Doch die wirkliche Abschlusspointe dieses Beitrags trifft, wie so oft, erst mit Verspätung ein: Die „ttt“-Redaktion hat das Thema und den Text mehr oder minder blind von einer satirischen Internetseite kopiert. Freilich ohne dabei die Quelle zu benennen.
Wer selbst schon einmal in den Medien tätig war, der weiß, wie schnell so etwas gehen kann. Und im Grunde ist es fast menschlich, dass auch bei der ARD irgendwann und irgendwo mal jemand moralisch und juristisch etwas daneben holzt. Etwas wunderlich nur, dass gerade die ach so seriösen Medien in letzter Zeit so oft danebenhauen. Angefangen beim streitbaren Henryk M. Broder, der vor wenigen Monaten einen nicht minder streitbaren, aber auch sehr verdienten Radiomoderator aus Berlin in einem quellentechnisch fragwürdigen Prozedere fast im Alleingang in die Arbeitslosigkeit denunzierte, über den Leitartikler der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, der auf Seitenlänge mal eben so log, er habe mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Voßkuhle, in dessen Wohnung ein schmackhaftes Mahl zu bereitet – bis hin zu Günter Wallraff, dessen großartige Reportagen offenbar wenig davon halten, auf authentisch gesicherte Quellen zurückzugreifen.
Ja, das alles kann menschlich betrachtet vielleicht mal passieren. Bekommt in einem Land, dass sich mit aufgezwungenen Institutionen wie der GEMA oder der GEZ schmückt und jeden Bürger unter Androhung von Strafe zu detaillierter Ehrlichkeit erziehen will, jedoch ein ganz übles Geschmäckle. Ist Quellenpfusch nun ein Kavaliersdelikt oder doch nicht? Oder dürfen sich mal wieder nur die „Großen“ erlauben, wofür jedem „Kleinen“ ganz ordentlich das Hinterteil aufgerissen wird? Als Vorbild für moralische Integrität taugt unsere journalistische Elite zumindest ziemlich wenig dieser Tage.
Offensichtlich also, dass sich hier eine journalistische und mediale Kaste zunehmend eigen-händig ins Aus schießt. Es ist schon hart genug, dass die diversen Fernsehanstalten der ARD auf der Ebene abendlicher Unterhaltung außer Christine Neugebauer und Hannelore Elsner offenbar keine anderen Gesichter mehr auf ihre Bildschirme lassen, während ZDF und Phoenix noch immer ganz fixiert auf den fiesen alten Mann aus Braunau sind. Dass daneben nun aber auch die wirkliche Kernkompetenz, die Beschaffung und Aufbereitung seriös recherchierter Informationen, offenbar vor die Hunde geht, gibt zu denken. Denn nicht zuletzt dafür zahlen wir unsere GEZ-Gebühren.
Was also ist hier los? Nun, die Bewohner einiger Bundesländer kennen das Phänomen bereits aus der Radiobranche. Anders als in Berlin, wo sich die Hörfunkprogramme des rbb noch wohltuend von den „Inhalten“ der privaten Konkurrenz unterscheiden, haben sich die öffentlich-rechtlichen Stationen in weiten Teilen Deutschlands sehr bereitwillig dem Klang und der Arbeitsweise ihrer kommerziellen Konkurrenz angeglichen. Bedeutet: Einsparungen aller Orten, immer weniger gut ausgebildete Mitarbeiter haben immer weniger Zeit, sich um saubere Recherchen zu kümmern. Und: Die simple Quote rückt als Kerncharakteristikum für „Erfolg“ immer weiter in den Vordergrund, Vermarktung und Kommerzialisierung legen ordentlich an Gewicht zu.
Wenn aber nun die Trennlinie zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanbietern zunehmend verwässert – warum dürfen sich die einen hemmungslos aus dem prall gefüllten GEZ-Topf bedienen und die anderen nicht? Und warum schmücken sich die einen so selbstgerecht mit dem Prädikat „Qualitätsjournalismus“, während die anderen als „Schmierenblätter“ dastehen?
Ich bleibe ein großer Bewunderer von Herrn Moor. Dennoch würde ich mich freuen, wenn mir die ARD die nächsten Monate keine Beweise mehr dafür liefert, die GEZ-Gebühr mit den gleichen Adjektiven belegen zu müssen wie beispielsweise die nicht minder katastrophale Kirchensteuer.
Pingback: Über den Verlust der Selbstverständlichkeit. Textauszug aus: David Wonschewski - "Schwarzer Frost". - David Wonschewski | Autor