David Wonschewski | Schriftsteller

Kulturjournalist – Romancier – bipolarer Bedenkenträger

Misanthropische Platte: Nick Drake – Bryter Layter (1970)

So unique das Wirken der verhuschten Schotten von Belle & Sebastian seit ihrer Bandgründung 1995 auch ist – ihre Hauptinspiration haben sie sich bei einem Mann geholt, der mit Fug und Recht als Kultmusiker betrachtet werden kann: Nick Drake. Die Hauptingridienzien, die ein Musiker braucht, um das Prädikat “Kult” zu bekommen, bringt der in Burma geborene Engländer allesamt mit: er hat drei Alben veröffentlicht, die bei Veröffentlichung Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre keine Sau hören wollte, seine Musik brauchte weit über ein Jahrzehnt, um auch von Musikkritikern gefeiert zu werden, so dass man sagen kann, dass er seiner Zeit tatsächlich ein wenig voraus war. Und – ganz wichtig: er hat von dieser nachträglichen Wertschätzung überhaupt nichts mehr gehabt, weil er kurz nach dem erfolglosen dritten Album in sehr ärmlichen Verhältnissen gestorben ist. Für die, die es brauchen, sei auch gerne noch erwähnt, dass er an einer Überdosis an Schlafmitteln verstarb, was bis heute die Frage nach Unfall oder Suizid aufwirft. “Bryter Layter”, das mittlere seiner drei Alben, entstand mit der Hilfe diverser Musiker von Fairport Convention, was auch den britischen Folk-Einschlag  und die barocken Pop-Elemente erklärt, die sich immer wieder dezent eingesetzt auf dem Album befinden. Ganz anders als es seine Lebensgeschichte eventuell vermuten lässt, hat Nick Drake für “Bryter Layter” jedoch keine Songs geschrieben, die in Jammerei und Selbstzerstörung enden, sondern stets etwas sommerlich anmutende, fast zärtlich zu nennende Kleinodien. Mit seinen Musikern gelingt es ihm dabei wie eine etwas heruntergefahrene Variante von Van Morrison zu klingen, ähnlich vielfältig manövriert er sich auf “Bryter Layter” zwischen Pop, Singer/Songwriter, Soul, Jazz und Progressive  und ähnlich hingebungsvoll trägt seine Stimme die introspektiven Texte der Songs. Nur dass hier, anders als bei Van Morrison, eine helle, fast zerbrechliche Stimme am Werk ist, die die Menschenscheu, die Nick Drake zu Lebzeiten nur wenige Konzerte hat absolvieren lassen, in jedem Moment, den man auf “Bryter Layter” geht und steht, vor Augen und Ohren führt.

Ein Kommentar zu “Misanthropische Platte: Nick Drake – Bryter Layter (1970)

  1. juppwink
    22. November 2012

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 22. August 2012 von in Nachrichten und getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , .
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