Geben wir es ruhig einmal zu: Auch wenn wir Deutschen abseits jeglicher Wintersportarten eher selten das Gefühl haben unseren Nachbarn, den Österreichern, irgendwie heftig hinterherzulaufen, so gibt es doch zumindest eine Form des Liedermachens, derer sich nicht einmal die formvollendeten bayerischen Musiksolisten bemächtigen können. Und die sind für manch Nordlicht (a.ka. „Preußen“) nun ja bekanntlich schon „so gut wie“-Ösis.
Nein, für jene pikante Mischung aus bitterem Ernst, schwärzestem Humor und fast schon perfider Alltagsschilderung, ja, da muss ein Musiker wohl schon glasklarer Österreicher sein, um diesen Stil so richtig ans Blühen zu bekommen. Oder eben auch ans Darben, ans Dahinsiechen oder ans Verrecken, um im passenderen Bild zu bleiben. Ludwig Hirsch und Georg Danzer sind legendäre Paradebeispiele für diesen entlarvenden Humor, der sich auch schon zwischen den ätzenden und misanthropischen Zeilen eines Thomas Bernhard finden ließ, so man es denn ertrug, ihn gerade dort zu erhaschen. Und Christof Theußl steht dieser, nun, nennen wir es durchaus einmal „traditionellen Tugend“ in nichts nach.
Natürlich sind österreichische Liedermacher auch deswegen bisweilen so wirkungsvoll, weil die Eleganz ihres Dialektes auf eine Weise mit derben Sätzen korreliert, die für deutsche Musiker per se kaum zu erreichen ist. Denn auch in tiefster Larmoyanz noch edel daherzukommen, dass bringen nur Österreicher fertig, während es bei Deutschen leicht in Wehleidigkeit strandet, so sie nicht etwas poetischer um den heißen Brei herum fabulieren.
Wie immer dem auch sei, dass Theußl relativ gerne einen „Negerarsch“ hätte, das weiß er jedenfalls im Song „Die Eia vom Johann Strauss“ widerholt zu erwähnen. Und weigert sich bei aller Simplizität des Sujets ganz einfach, dabei auch nur im Ansatz seicht, dämlich oder doch zumindest platt zu erscheinen. Nein, das muss man dem Filmemacher und Performancekünstler tatsächlich lassen, seine Gossenphilosophie (in der er ab und an den einfach-verschrobenen Alltagsbeschreibungen eines Funny van Dannen ähnelt) greift genau deswegen von Song zu Song, eben weil er textlich so wunderbar in die Vollen geht und sich offenbar nicht darum kümmert, dass er dabei auch peinlich werden könnte. Fremdschämen aber findet bei einem wie Theußl überraschender Weise einfach nicht statt, was auch darin begründet ist, dass er sich nur selten von seinem desillusioniert-schleppenden Erzählduktus löst. Uptempo ist ganz eindeutig nicht das Metier des Christof Theußl, eine betonte Lahmheit charakterisiert seine Songs, die hier jedoch keinesfalls mit Langeweile gleichzusetzen ist: „Wozu überhaupt noch aufregen, es ist halt wie es ist“ scheint die Maxime des Österreichers zu sein, mit der es ihm denn auch tatsächlich gelingt sich weit über manchen selbsternannten und ungestümen „Protestsänger“ zu erheben.
„Pleite Bealin“ ist dabei genau die Antihymne auf die deutsche Hauptstadt, die längst überfällig gewesen ist und die vielleicht auch nur einem Exilberliner wie eben Theußl hat gelingen können. Ein Gefühl von verbal-akustischem Hausfriedensbruch will sich hier zunächst einstellen, so sehr ist dieser Song (nur und gerade aus dem Mund eines Österreichers) eine Frechheit, auch der Begriff des „Nestbeschmutzers“ bahnt sich bereits emsig seinen Weg – bis Theußl jegliche Idee von Empörung gerade dadurch pulverisiert, dass er Wowereits längst berühmten, aber nun auch wahrlich sehr dämlichen Leitspruch entzaubert, wonach Berlin „arm, aber sexy“ sei.
In eine ähnliche Kerbe schlägt der Eröffnungstrack „Du bist so deutsch zu mia“, ein gerade durch seine fehlende Nettigkeit und nicht vorhandene Zärtlichkeit unglaublich zutreffender Liebessong, der vermeintliche deutsche Tugenden entlarvt ohne sie zugleich einer allzu großen Lächerlichkeit preiszugeben. Nein, plump und arrogant ist Theußl nie, auch nicht besserwisserisch oder mit dem wohlbekannten erhobenen Zeigefinger unterwegs. Denn gerade dafür ist er – Bernhard und Hirsch lassen grüßen – viel zu zerrissen und selbstkritisch. „Liebe in Österreich“ spielt mit den Klischees, die es über Österreicher gibt und die – huch – offenbar eben keine Klischees sind, während das nicht nur sehr ehrliche, sondern auch sehr wahre „Fremdbefriedigung“ so heftig unter die Gürtellinie geht, dass am Ende niemand so nackt und entblößt dasteht wie Theußl selbst. „Autodiktatua“, vielleicht der beste von vielen herausragenden Songs, spielt mit der Zerrissenheit, die in uns allen herrscht und die – den Bogen vom Mikro- zum Makrokosmos bekommt Theußl tatsächlich spielend hin – der Hauptgrund ist, warum wir Menschen nicht nur mit uns selbst, sondern auch miteinander nur schwerlich klar kommen.
„Antilogie 1“ – eine Zusammenstellung der besten Theußl-Songs aus den vergangenen 5 Jahren. Ätzendes und bitter-bissiges Liedgut, wie es effizienter derzeit kaum zu bekommen sein dürfte.
Hach, traumhaft. Naja und dann noch die Sprachfärbung….wie in dem Text ja auch geschrieben…irgendwleche Vorteile bvraucht ihr ja auch, ihr Armen…;-)
Bin eine waschechte Österreicherin! Wir haben auf jeden Fall eine ganz eigene Art von Humor. 🙂
Bist du Österreicherin? Nach den Engländern mit Abstand die Nation mit dem besten Humor, finde ich…
“Wozu überhaupt noch aufregen, es ist halt wie es ist“ scheint die Maxime des Österreichers zu sein” – ich kann dir sagen dass ist die Devise der meisten Österreicher 🙂